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Axel Buchholz

Auf Gegenstrategien des Interview-Partners richtig reagieren

 
Wenn Interview-Partner »mauern«, dann wird’s besonders spannend im Interview. Dann geht es darum, wer seine Interview-Ziele durchsetzen kann. Bekommt der Reporter hinreichend aussagekräftige Antworten im Interesse seiner Hörer? Oder gelingt es dem Interview-Partner, rhetorisch zu vernebeln, was eigentlich aufzuklären wäre? Auch auf solche Interview-Situationen muss der Reporter vorbereitet sein. Hörer merken schnell, wenn sich ein hilfloser Friedlich-Frager von einem ausgebufften Abwehr-Antworter überfahren lässt.

Zumindest Gegenwehr ist Reporterpflicht – auch wenn sie nicht immer erfolgreich sein wird. Für »harte« Interviews dieser Art gilt besonders (vgl. im Econ-Buch »Radio-Journalismus« den Beitrag »Fragetechnik im Interview«):
 

  • Den Interview-Verlauf antizipieren.

  • Im Vorgespräch schon zu erkennen versuchen, wie der Interview-Partner wohl taktieren wird.

  • Bei der Frage-Haltung bleiben, nicht ins Argumentieren übergehen. Also Fragen nicht so einleiten:
    Nun ist es ja so, dass …

  • Auch in der kontroversen Interview-Situation sachlich-freundlich und korrekt bleiben.

  • Während des Interviews besonders gut zuhören und die Körpersprache des Interview-Partners beobachten, um Gegenstrategien schon im Ansatz zu erkennen und schnell darauf reagieren zu können.

  • Bei Fragen mit Balkon sorgfältig formulieren, korrekt zitieren, eine Quelle bereit haben (oder sie gleich im Balkon nennen). Man sagt oder Es heißt, dass … sind keine Quellen.

 
»Ist der Interviewpartner auf unerquickliche Fragen vorbereitet, weil er beispielsweise dem Interview aus Gründen seiner öffentlichen Position nicht ausweichen kann, so wird er als letztes Mittel zur Lüge greifen oder den Sachverhalt einfach bestreiten. In günstigeren Fällen wird er die Gelegenheit benutzen, sein Verhalten in einem möglichst guten Licht darzustellen, was meist auch dazu führt, dass die Wahrheit verfälscht wird.« Conrad Ahlers, Regierungssprecher unter Bundeskanzler Willy Brandt, Co-Autor des Beitrags »Gegenstrategien des Interview-Partners« in den ersten sieben Auflagen von »Radio-Journalismus«.
 

Ausweichstrategien im Überblick – und wie der Reporter darauf reagieren kann. In den beiden Buch-Beiträgen »Fragetechnik im Interview« und »Interview« im Econ-Buch »Radio-Journalismus« ist vieles, wie z.B. richtiges Unterbrechen und die Frage-Arten, ausführlich dargestellt, worauf hier nur knapp hingewiesen wird.
 

 

Im »Einwickeln« und nicht im Mauern oder Angreifen suchen manche Interview-Partner ihr Heil. Da wird der Reporter gleich mehrfach überaus freundlich mit Namen angeredet und gelobt: Vielen Dank für diese wichtige Frage, Herr xy … Die (unausgesprochene) Botschaft dabei ist: Du wirst mich doch nicht etwa garstig fragen, wo ich doch so nett zu Dir bin?! Der Reporter darf sich dadurch nicht von seinem Interview-Ziel abbringen lassen. Seinen Tonfall kann er noch einmal überprüfen: Klinge ich sachlich-freundlich genug? Denn ein scharfer, besonders kühler Klang der Reporter-Stimme wäre in einer solchen Interview-Situation kontraproduktiv, könnte zu einem Mitleidseffekt beitragen.

Die Grenzen beim Nachhaken erkennen: Die Hörer müssen das genaue Nachfragen immer als sachlich berechtigt und erforderlich empfinden. Wenn nicht, beginnen sie den Interview-Partner als Opfer zu bemitleiden. Die Sympathie schlägt um. Der Reporter ist dann möglicherweise tatsächlich zu weit gegangen oder in einer für den Hörer nicht so entscheidenden Frage zu beharrlich gewesen. Vielleicht hat der Reporter aber auch nur versäumt, im Vorbau seiner Nachfragen klar zu machen, warum er so sehr auf einer präzisen Antwort besteht.

Nach einem kontroversen Interview, das für den Interview-Partner schlecht lief, muss sich der Reporter besondere Mühe mit dem Nachgespräch geben. Er sollte noch einmal deutlich machen, warum er so fragen musste, wie er es getan hat, vielleicht auch Verständnis zeigen für das Verhalten des Interview-Partners: Die kontroverse Situation ist durch die unterschiedlichen Rollen entstanden und nicht, weil man persönlich etwas gegeneinander hat.
→ Tipp: Nach dem Interview (auch dem kontroversen), ist vor dem Interview. Nicht selten möchte der Reporter auch diesen Interview-Partner noch häufiger am Mikrofon haben.

 


Dies ist ein Online+ Beitrag aus dem Buch Radio-Journalismus.


 
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