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Nobert Linke

Fachsprache

 
Wenn Radioleute über ihre Arbeit sprechen, bedienen sie sich oft einer Sprache, die für den Außenstehenden und den Neuling im Beruf ein Buch mit sieben Siegeln ist. Teils ist sie Fachsprache im engeren Sinn, teils recht handfester Radio-Jargon. Wenn etwa davon die Rede ist, ein »Take« sei »gestorben«, dann ist damit schlicht gemeint, ein Abschnitt einer Aufnahme sei gelungen, also »im Kasten«.

Begriffe und Redewendungen aus allen nur denkbaren Bereichen der Radioarbeit sind in der Radio-Fachsprache versammelt – aus Redaktion (»gebauter Beitrag«, vgl. »O-Ton-Bericht« im Econ-Buch »Radio-Journalismus«), Musik-Redaktion (»Rotation«: wann und wie oft ein Musiktitel gesendet wird), Moderation (»Three-Element-Break«, vgl. Buch-Beitrag »Moderation«) und Sprechlehre (»Indifferenzlage«: die natürliche, ungezwungene Sprechlage), aus Technik (»Telefon-Hybrid«: zum Einspeisen von Telefongesprächen ins Mischpult) und Produktion (»Audio-Processing«: zur Verbesserung des Klangbildes einer Station), aus Marketing (»Tausendkontaktpreis«: Preis, für den ein Werbekunde mit einem 30-Sekunden-Spot 1000 Hörerkontakte erreicht) und Hörerforschung (»Auditoriumstest«: Veranstaltung, in der ausgewählte Hörer auf einem Messgerät oder Fragebogen Musiktitel beurteilen), aus Rundfunkrecht (»Programmauftrag«, vgl. Buch-Beitrag »Medienrecht für Radio-Journalisten«) und Rundfunkpolitik (»Zwei-Säulen-Modell« in NRW: organisatorische Trennung von Redaktion und Trägerschaft). Dazu kommt eine kaum überschaubare Menge an Abkürzungen, z.B. AC (»Adult Contemporary«: Musikformat), BmE (»Beitrag mit Einblendungen«: journalistische Darstellungsform), CATI (»Computer Assisted Telephone Interview«: Verfahren der Meinungsforschung, das u.a. bei der Media-Analyse eingesetzt wird) und DAT (»Digital Audio Tape«: digitale Tonband-Kassette).

Die deutsche Radio-Sprache ist (s.o.) durchdrungen von einer Vielzahl von Begriffen anglo-amerikanischer Herkunft, z.B. »Break« (eine einzelne Moderation) oder »Call-in« (Sendung mit Höreranrufen zu einem bestimmten Thema). Grund: Als neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Mitte der 80er-Jahre nach und nach kommerzielle Radiostationen ihren Sendebetrieb aufnahmen, suchten sie sich die Erfahrungen des wettbewerbsintensiven US-Radiomarktes zu Nutze zu machen. Die Folge war ein vermehrter Transfer von Radio-Know-how nach Deutschland. Und mit neuartigen Programmkonzepten (etwa dem der formatierten Begleitprogramme) und neuer Technik kam zwangsläufig eine spezifische Begrifflichkeit mit über den Großen Teich.

Ihren Weg in die Funkhäuser machten allerdings nicht nur Begriffe, die neuartige Sachverhalte bezeichneten, z.B. »Transitions« (Jingles, die eine musikalische Brücke zwischen zwei Musiktiteln unterschiedlichen Tempos bauen). Vielfach wurden auch Begriffe für Altbekanntes durch solche aus Übersee ersetzt. So ist heute am Mischpult nicht mehr von »(Schiebe-)Reglern« die Rede, sondern von »Fadern« – ohne dass sich in der Sache etwas geändert hätte. Statt eines »Indikativs« (Themamusik) steht nun am Beginn einer Sendung der »Show-Opener«. Und die »Sprechgarnitur« (Kopfhörer mit angebautem Bügelmikrophon) heißt allerorts »Headset«.

Ein wichtiger Faktor des begrifflichen Wandels ist der technische Fortschritt. Digitale Verfahren der Ton-Aufzeichnung und Bearbeitung haben analoge abgelöst und einst alltägliche Begriffe in Vergessenheit geraten lassen. Mit den Tonbandmaschinen wurde auch der »Wickelkern« ausgemustert (die Spule, um die das Tonband gewickelt ist), der »Anheber« (das Band wird kurz angehoben um eine bestimmte Stelle zu markieren) und das »Zuspielband«. An ihre Stelle traten in Audio-Netzwerken verbundene PCs, an denen »Soundfiles« (die als Datenpakete gespeicherten O-Töne) »editiert« (also geschnitten) und schließlich auf »Servern« zentral verwaltet werden.

Manche Begriffe sind jedoch unverwüstlich. Das »Mitschneiden« eines Ereignisses war einst das tatsächliche Schneiden einer modulierten Rille in eine Wachsrolle. Doch auch mehr als hundert Jahre nach Thomas Alva Edison wird – nunmehr digital – »mitgeschnitten«. Und auch das »Schnittkommando« (»5,4,3,2,1, bitte schneiden, bitte schneiden«) hat allem Anschein nach noch längst nicht ausgedient.

 


Dies ist ein Online+ Beitrag aus dem Buch Radio-Journalismus.


 
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