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Axel Springer Preis 2008

 
Axel-Springer-Preis 2008, Kategorie Hörfunk, Platz 1

»Tagebuch einer Untreuen«

gesendet vom 10. bis 14. Dezember 2007
rbb, Radio Fritz (»RadioFritzen am Morgen«)

Julia Friese

 

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Auszug aus der Laudatio von Jürgen Köster:

Sie ist 22 Jahre alt, studiert jetzt in Berlin Kommunikationswissenschaft, Germanistik und Geschichte. Sammelte erste Radio-Erfahrungen gleich nach dem Abitur beim NRW-Lokalsender Radio Hagen. Arbeitete dann auch am Campusradio der Universität Dortmund mit. In Berlin bewarb sie sich gezielt bei Radio Fritz um ein Praktikum und arbeitet dort als freie Autorin und Reporterin. Lebensgefühl ins Radio bringen, das möchte Julia Friese. Geschichten aus dem wahren Leben unterhaltsam erzählen. Und genau das ist ihr auch mit dem »Tagebuch einer Untreuen« nach Meinung der Hörfunk-Jury gelungen.

In fünf Folgen von je knapp 90 Sekunden Länge wird erzählt, wie eine 22-jährige junge Frau aus der Beziehung zu ihrem Freund Frederick ausbricht. Es ist eine wahre Geschichte von »Tine«. Viele Formulierungen von Tine hat Julia Friese wörtlich mitgeschrieben und in das fiktive Tagebuch eingetragen. Von der ersten »Rumfummelei auf der Tanzfläche« mit Christopher, über den halbherzigen Versuch, die Beziehung mit Frederick trotz aller Fremdgeherei (viermal in vier Monaten) dennoch zu retten, um sie dann doch zu beenden. Tine selbst ist nicht zu hören, sie wollte es nicht. Der Geschichte tat das keinen Abbruch. Im Gegenteil. Die Jury empfand die Sprache des Beitrags als authentisch und Tines Zerrissenheit, ihre Gefühle bei den»Abstürzen« – zwischen »unglaublich mies« und »schmutzig toll« – beeindruckend und nachempfindbar. Dazu trug entscheidend auch die Modulation von Julia Frieses Stimme und die glaubwürdige Art bei, wie sie die Texte salopp gelesen hat. Der Lohn für die Mühe: nachdenkliche Briefe, Hörerinnen, die sich in Tines Geschichte wiederfanden. Allein das kann im schnellen Radio-Alltag schon eine Auszeichnung sein.

Die Jury war sich einig, dass Julia Friese der diesjährige erste Preis gebührt. Herzlichen Glückwunsch! Radio Fritz hat hier abgeräumt.

 

Axel-Springer-Preis 2008, Kategorie Hörfunk, Platz 2

»Die Flaschensammler«

gesendet am 24. Dezember 2007
WDR 5, Redaktion »Neugier genügt«

Marlis Schaum

 

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Auszug aus der Laudatio von Jürgen Köster:

Jahrelang hat Marlis Schaum sie beobachtet: die Flaschensammlerinnen und Flaschensammler. Immer mehr werden es, hat sie gedacht. Deshalb kam ihre Antwort auch ganz prompt, als der Leiter der WDR-Redaktion »Neugier genügt«, Thomas Hauschild, fragte, ob sie denn eine Themenidee habe, wenn sie als freie Autorin mitarbeiten wolle.

Nach dem Studium der Kommunikationswissenschaft in Münster, mit Zitat »gefühlten 170 Praktika« plus ein Volontariat bei der Deutschen Welle wurden die »Flaschensammler« dann ihr erster Auftrag beim WDR. Am Heiligabend 2007 lief er auf WDR 5. Drei Monate später wusste sie, dass sie sich selbst damit ein doppeltes Weihnachtsgeschenk gemacht hatte: der erste Beitrag für den WDR und gleich damit zum ersten Mal einen Preis gewonnen – den 2. Preis beim Axel-Springer-Preis für junge Journalisten. Die Jury empfand Marlis Schaums Beitrag als außerordentlich gelungen. Er lebt von den O-Tönen der Flaschensammler und –sammlerinnen. Er ermöglicht einen Einblick in ihr Leben, in ihre und in unsere Welt.

Wer solche O-Töne aufnehmen will, braucht Einfühlungsvermögen, Geduld und Hartnäckigkeit. Der Text ist reportageartig geschrieben. Er bringt dem Publikum die Flaschensammler und ihre Situation nahe. Und das tut er aus der gebotenen journalistischen Distanz – ohne triefende Betroffenheit. Ihre Zukunft sieht Marlis Schaum beim Radio. Aber: Morgen fliegt sie erst einmal nach Dublin, wo sie als Au Pair gearbeitet hat. So feiert sie ihren Preis. Zurück in Köln, will sie dann gut essen gehen. Mit Ralf, dem Flaschensammler.

Glückwunsch zum 2. Platz: Marlis Schaum

 


 

Axel-Springer-Preis 2008, Kategorie Hörfunk, Platz 3

»Ich bin ein Berliner«

gesendet vom 5. bis 10. Dezember 2007
rbb, Radio Fritz

Meral Al-Mer

 

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Auszug aus der Laudatio von Gerda Hollunder:

Da Joyce nicht zu sehen ist, wirkt nur ihr frisches, fehlerfreies Deutsch und ihre Stimme. Sie lacht viel. Und sie sagt »Ich bin ein Berliner«! Joyce ist in Kenia geboren als Tochter einer Kenianerin und eines Afro-Amerikaners, sie ist 24, vor 20 Jahren kam sie mit ihrer Familie nach Berlin. Ja, manchmal wird sie schon als Fremde angeguckt. Jährlich muss sie ihr Aufenthaltsrecht beantragen. Joyce ist kein Sozialfall, sie verdient, was sie braucht – im Augenblick in einem Callcenter. Sie macht das gern. Ein Leben wie von vielen Ausländerinnen und Ausländern in dieser Stadt, ohne besondere Dramen. Erst durch den Beitrag wird dieses Leben ein besonderes. Joyce gelingt das mit ihrer unsentimentalen Sprache. Der O-Ton-Beitrag schafft es durch eine achtsame und einfallsreiche Produktion: dynamische Schnitte und beziehungsvolle Rapmusik unterstützen die Erzählung. Sie überlagern sie nicht. Wenige Wörter und Sätze sind durch eine Echo-Wiederholung herausgehoben. Stimmig. Verblüffend, überraschend, anrührend – was da in drei Minuten über die Ohren in Köpfe und Herzen hineingeht und sich festsetzt: Eine vorzügliche Arbeit, meint die Jury.

Gefertigt wurde dieser Beitrag von Meral Al-Mer, geboren in Syrien. Sie ist deutsche Synchronsprecherin, Schauspielerin, Schriftstellerin und Musikerin. Mit ihrer Band Mèral5 spielt sie seit fünf Jahren regelmäßig Konzerte. Ihr Titel »Streetgirls« wird demnächst als Single erscheinen. Wenn das keine Karriere ist: Als Quereinsteigerin seit Anfang 2007 als Reporterin und Produzentin bei Fritz vom rbb arbeiten und nun gleich der 3. Preis.

Herzlichen Glückwunsch, Meral Al-Mer!
 

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