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Radio unterm Hakenkreuz

Von Hendrik Muth
 

Der Rundfunk spielte für die NS-Propaganda eine zentrale Rolle. Nicht zuletzt deshalb förderte das Regime die Entwicklung des Radios zum Massenmedium. Inhaltlich setzte Propagandaminister Goebbels auf eine Mischung aus politischer Indoktrination und Unterhaltung.
 

Die Gleichschaltung

Die Stimme des Sprechers bebte vor unverhohlener Begeisterung. Wenige Stunden zuvor hatte der greise Reichspräsident Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt. Die Funkstunde Berlin berichtete live von den Feierlichkeiten der neuen Machthaber: »Immer mehr jubelt es von unten zu den Fenstern herauf. Immer weiter die Fackeln. Der ganze Kaiserplatz ist wie in Tageshelle getaucht. Ein wunderbares Bild! Diese gereckten Arme! Das Heilrufen!“

Die offizielle Gleichschaltung des Rundfunks sollte erst einen Tag später beginnen. Dennoch hatten die Nationalsozialisten bereits erheblichen Einfluss auf das neue Medium. Seit ihren Wahlerfolgen 1932 saßen sie in den Rundfunkgremien. Diese waren seit der endgültigen Verstaatlichung des Rundfunks im selben Jahr maßgeblich für das Programm verantwortlich.

Aber nicht alle Hörfunkfunktionäre übten sich an jenem schicksalhaften 30. Januar 1933 in vorauseilendem Gehorsam. Hans Bredow, Reichskommissar für den Rundfunk und seit den Anfängen im Ersten Weltkrieg bestimmende Figur des deutschen Radios, trat noch am selben Tag zurück.

Nach den Reichstagswahlen vom 5. März 1933, bei denen die NSDAP 43,9% der Stimmen bekam, ging alles sehr schnell. Am 13. März wurde das Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda mit Joseph Goebbels an der Spitze ins Leben gerufen. Am 16. März übernahm Goebbels die Rundfunkkompetenzen des Reichsinnenministeriums und am 22. März die des Reichspostministeriums. In seiner Antrittsrede vor den Intendanten des Rundfunks machte Goebbels am 25. März klar, dass eine neue Zeit angebrochen war: »Wenn ich den politischen Durchbruch auf seinen einfachen Nenner bringe, dann möchte ich sagen, am 30. Januar ist endgültig die Zeit des Individualismus gestorben (…) Das Einzelindividuum wird ersetzt durch die Gemeinschaft des Volkes. Der Rundfunk wird gereinigt, wie die ganze preußische und deutsche Verwaltung gereinigt wird.« Zwei Monate später war nur noch einer der Intendanten aus der Weimarer Zeit im Amt.
 

Radio als Propagandainstrument

Für Goebbels hatte das Radio als Propagandamittel allerhöchste Priorität. Zu diesem Thema hatte er außerdem in seiner Antrittsrede gesagt: »Ich halte den Rundfunk für das allermodernste und für das allerwichtigste Massenbeeinflussungsinstrument, das es überhaupt gibt.«

Die technische Entwicklung kam ihm zu Hilfe. Im August 1933 wurde auf der Berliner Funkausstellung ein neues, einfaches und günstiges Gerät vorgestellt: Der Volksempfänger war ein voller Erfolg. Noch während der Messe wurden 100.000 Geräte verkauft. Zehn Jahre später gab es in Deutschland 16 Millionen Personen, die pro Monat zwei Reichsmark Rundfunkgebühren bezahlten.

Inhaltlich setzte Goebbels auf eine Mischung aus politischer Propaganda und Unterhaltung. Zum Programm gehörten Nachrichten, Reportagen von Reichs- und Gauparteitagen, Staatsakte, aber auch Berichte über staatliche Zwangsmaßnahmen, die an Zynismus nicht zu überbieten waren. So endet eine Reportage vom 30. September 1933 über das KZ Oranienburg, in das unter anderem auch Radio-Verantwortliche aus der Weimarer Zeit verschleppt worden waren, mit den Worten: »Damit ist unsere Übertragung beendet. Sie hatten einen Einblick in das singende und spielende Konzentrationslager Oranienburg.«

Von Anfang bis Ende des Dritten Reiches waren Propagandareden der NS-Führung wichtiger Bestandteil des Programms. Im Volksmund wurde der Volksempfänger daher auch »Goebbelsschnauze« genannt. Daneben sendete der Rundfunk des Dritten Reichs Sportreportagen, wie etwa den berühmten Boxkampf von Max Schmeling gegen Joe Louis im Jahr 1936, Hörspiele über Alltägliches und vor allem viel Unterhaltungsmusik, sofern sie nicht nach NS-Terminologie »entartet« war. Für Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädels gab es ein eigenes Programm, das die Jugend auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereiten sollte.

Die populärste Sendung des Dritten Reichs war das »Wunschkonzert für die Wehrmacht«. Das Konzert wurde bis 1941 zweimal wöchentlich im Winterhalbjahr über alle deutschen Sender ausgestrahlt. Neben sentimentalem Pathos, der sich in Liedern wie »Gute Nacht, Mutter« und »Heimat, deine Sterne« manifestierte, waren auch Spendenaufrufe und Soldatenbriefe fester Bestandteil des Programms. Zudem wurden die Namen von Gefallenen verlesen. Bis zu 35.000 Briefe erreichten an manchen Tagen die Redaktion. Mit den militärischen Erfolgen verschwand auch das Wunschkonzert aus dem Programm.
 

Der Störfunk

Schon vor dem Krieg konnten in Deutschland illegale Sender empfangen werden, die offen in Opposition zum NS-Regime standen und dessen Propaganda-Maschinerie störten. Bis zum Kriegsbeginn war einer der bekanntesten der »Deutsche Freiheitssender 29,8«, der bis 1939 aus dem republikanischen Spanien sendete. Das Abhören von ausländischen Sendern stand ab 1. September 1939 unter Strafe; in manchen Fällen wurde sogar die Todesstrafe verhängt. Zum Mythos unter den so genannten Feindsendern wurde die BBC. Nach dem bedrohlich wirkenden BBC-Sendezeichen folgten Informationen über die Verbrechen des Regimes, den tatsächlichen Kriegsverlauf und Aufrufe prominenter Emigranten zum Widerstand.

 

Weiterführende Links:

BR: Propaganda und journalistische Ethik
Tondokumenten aus der NS-Zeit
»Deutsche Hörer«: Thomas Mann spricht in der BBC