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Nachrichtensprache

 

Nachrichten müssen verständlich und wertungsfrei sein. Viele Tipps für ein bessere Verständlichkeit finden Sie im Buch. Hier zwei  praktische Übungen – zur Vereinfachung des Textes und zum richtigen Satzbau.

Ein anderer Mangel der Nachrichtensprache ist der übermäßige Gebrauch von ausgeleierten Phrasen. Auch dazu eine kleine Sammlung.

Zuletzt geht es noch um banale Fragen der Korrektheit, wie sie in jeder Redaktion auftauchen: Ist das richtig? Ist das falsch? Wir haben 25 Zweifelsfälle aufgelistet – und begründete Antworten gegeben.

 

Extreme Beispiele für schwer verständliche Formulierungen

a) Partizipialkonstruktionen:

Das im Zusammenhang mit ihrem im Schweizer Kanton Bern tot aufgefunden Kind gesuchte deutsche Ehepaar Pelz ist im Kanton Aargau bei einem Autounfall schwer verletzt worden.

Versuchen Sie, der Vorfall leichter verständlich zu formulieren! Lösungsvorschlag s. u.

b) Substantivketten:

Die Forderung der USA nach einem Einsatz von AWACS-Aufklärungsflugzeugen der Nato mit deutschen Soldaten an Bord im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ in Syrien und im Irak stößt in Berlin bei Regierung und Opposition auf Ablehnung.

Versuchen Sie, die Substantivketten aufzulösen und die Nachricht verständlicher zu formulieren. Lösungsvorschlag s. u.

c) eingeklammerte Nebensätze:

Der Bürgermeister sagte, bevor Menschen, die aus Ländern geflohen seien, in denen genauso Fußball gespielt werde wie in Deutschland, und die folglich die recht simplen Fußballregeln sowieso kennten, eine Broschüre in Arabisch zu Fußballregeln erhielten, sollten sie eine arabische Broschüre des deutsche Grundgesetzes bekommen, das sei wichtiger

Versuchen Sie, die Aussage leichter verständlich zu formulieren! Lösungsvorschlag s. u.

 

Lösungsvorschläge:

a) Ein deutsches Ehepaar hat bei einem Autounfall im Kanton Aargau schwere Verletzungen erlitten. Die beiden wurden von der Schweizer Polizei gesucht. Ihr Kind war zuvor im Kanton Bern tot aufgefunden worden.

b) Regierung und Opposition in Berlin lehnen es ab, Nato-Aufklärungsflugzeuge in Syrien und im Irak einzusetzen. Anlass ist eine Forderung der USA. Danach soll die Nato Aufklärungsflugzeuge vom Typ AWACS für den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ zur Verfügung stellen. An Bord der AWACS-Maschinen sind auch deutsche Soldaten.

c) Der Bürgermeister sagte, Flüchtlinge sollten zunächst eine arabische Broschüre des deutsche Grundgesetzes bekommen. Das sei wichtiger, als ihnen eine Broschüre auf Arabisch zu Fußballregeln zu geben. Denn sie seien aus Ländern geflohen, in denen genauso Fußball gespielt werde wie in Deutschland, und die die recht simplen Fußballregeln seien ihnen folglich sowieso bekannt.

 

Thema – Rhema: Satzkern immer nach hinten

Wenn ein Text leicht verständlich sein soll, muss das Neue immer am Bekannten anknüpfen. Zuerst kommt das „Thema“, dann das „Rhema“. In den folgenden Meldungen verstößt jeweils ein Satz gegen dieses Prinzip. Welcher?

1. Ein Schneesturm hat weite Teile der amerikanischen Ostküste lahmgelegt (A). Bei wetterbedingten Verkehrsunfällen kamen 18 Menschen ums Leben (B). 60 Zentimeter Schnee fielen allein in Washington (C). Dort fuhren weder Busse noch U-Bahnen (D).

Lösungsvorschlag s. u.

2. In Polen haben am Samstag mehrere 1000 Menschen gegen die neue rechtskonservative Regierung demonstriert (A). Der ehemalige Staatspräsident Lech Walesa sprach in Warschau (B). Walesa warf der der Regierung vor, das Land zu ruinieren (C). Auf Plakaten hieß es: „Nein zur Putinisierung, Nein zur Überwachung“(D).

Lösungsvorschlag s. u.

3. Viele Supermärkte verkaufen vergammelte und verschimmelte Lebensmittel(A). Das ergab ein Test im Auftrag des NDR-Magazins „Markt“ (B). Unter anderem bei Rewe und Edeka fanden die Tester verdorbenes Gemüse und Obst (C). Nach dem Lebensmittelrecht hätten die Waren nicht mehr verkauft werden dürfen (D).

Lösungsvorschläge:

1C: Allein in Washington fielen 60 Zentimeter Schnee.

2B: In Warschau sprach der ehemalige Staatspräsident Lech Walesa.

3C: Verdorbenes Gemüse und Obst fanden die Tester unter anderem bei Rewe und Edeka.

 

Journalistische Floskeln – es geht auch ohne

Sebastian Pertsch und Udo Stiehl sammeln abgegriffene Phrasen und schiefe Sprachbilder aus den Medien. Für den journalist haben sie die schlimmsten Sprechblasen herausgesucht und zeigen, wie man sie vermeidet. Hier 15 Floskeln, die Journalisten aus ihrem Wortschatz streichen sollten

  1. aller Zeiten
  2. alternativlos
  3. an den Rollstuhl gefesselt
  4. angebliche Bilder
  5. Luftschläge
  6. Menschen evakuieren
  7. Preisbremse
  8. schmerzhafte Einschnitte
  9. Sünder
  10. teilweise verletzt
  11. Tote gefordert
  12. überwiegende Mehrheit
  13. Vorankündigung
  14. vorprogrammiert
  15. Vor Gericht verantworten

Nach unserem Buch ist bei diesen Formulierungen zu unterscheiden zwischen den typisch journalistischen Phrasen (Floskeln) und fragwürdigen Schlagwörtern (z. B. „Preisbremse“), politischen Euphemismen (z. B. „Sünder“) und logischen Widersprüchen (z. B. „Menschen evakuieren“).

Mehr zur Floskelwolke finden sie auf der Internetseite Floskelwolke.de.
Die Floskel des Tages gibt es bei Twitter: @Floskelwolke

 

25 Zweifelsfragen – mit begründeten Antworten

  1. An oder zu Ostern? Beides möglich, weil der Unterschied nur regional begründet ist. Süddeutsch: an Ostern, norddeutsch: zu Ostern. In Ostdeutschland oft auch: Ostern (ohne Artikel)
  2. Bergen oder retten? Ein semantischer Unterschied: Tote werden „geborgen“, Verletzte „gerettet“.
  3. Das Blog oder der Blog? Das Blog, weil es von Weblog kommt, dem Internet-Logbuch.
  4. 50 Cent oder Cents? 50 Cent. Währungseinheiten werden nicht dekliniert.
  5. Kostet ein oder einen Euro? Kostet ein Euro. Gleiche Begründung wie bei „Cent“. Sonst müsste es ja auch „zehn Euros“ heißen.
  6. Diesen Jahres oder dieses Jahres? Dieses Jahres (obwohl im Buch ein Germanist für „diesen Jahres“ plädiert).
  7. Die stattgefundene Konferenz? Falsch. „Stattfinden“ ist ein intransitives Verb, dessen Partizip Perfekt nicht als Adjektiv benutzt werden kann.
  8. Eine Million Deutsche ist oder sind? Eine Million Deutsche sind. Denn das Subjekt „Deutsche“ steht im Plural.
  9. Entgegen anders lautenden oder anders lautender Meldungen? Entgegen anders lautenden Meldungen. Denn „entgegen“ zieht den Dativ nach sich.
  10. Fliehen oder flüchten? Ein semantischer Unterschied: „Fliehen“ heißt „schnell weglaufen“. „Flüchten“ bedeutet „wegen Gefahr oder Not weggehen“.
  11. Gewinkt oder gewunken? Gewinkt. „Gewunken“ gilt standardsprachlich als nicht korrekt.
  12. Gewohnt oder gewöhnt? Wieder ein semantischer Unterschied. Zum Beispiel heißt es: Ich bin gewohnt, mit dem Rad zu fahren. Aber: Ich habe mich daran gewöhnt, mit dem Rad zu fahren.
  13. Hermetisch abgeriegelt? Eher ein Fall für die „Floskelwolke“. Uralte und viel gebrauchte Phrase – trotz der totalen Überspitzung.
  14. In Irak oder im Irak? Beides möglich. Traditioneller deutscher Gebrauch: Im Irak. Am Englischen orientierter Sprachgebrauch: In Irak.
  15. Kommandeurtagung oder Kommandeurstagung. Kommandeurstagung. Das s ist kein Genitiv-, sondern ein Fugen-s.
  16. Nahe dem Zentrum oder nahe des Zentrums? Nahe dem Zentrum. „Nahe“ zieht den Dativ nach sich.
  17. Programmiert oder vorprogrammiert? programmiert. „Vorprogrammiert“ ist ein Pleonasmus.
  18. Prozent oder Prozentpunkte? Semantischer Unterschied: Prozent ist der Anteil an einer Menge, die gleich 100 gesetzt wird. Prozentpunkte sind die Differenz zweier Prozentzahlen.
  19. Scheinbar oder anscheinend? Großer semantischer Unterschied. „Scheinbar“ heißt: Sieht nur so aus, ist aber nicht so. „Anscheinend“ bedeutet: Sieht so aus, ist aber noch nicht sicher.
  20. Ein stufenweiser Abbau? Vielfach verpönt. Laut Duden aber zulässig, weil seit dem 19. Jahrhundert gebräuchlich.
  21. Teilweise schwer verletzt? Oft gebraucht, aber in der Realität immer noch schlecht vorstellbar.
  22. Wegen schlechten Wetters oder wegen schlechtem Wetter? Beides möglich, aber nur wenn der Artikel fehlt. Sonst steht nach „wegen“ der Genitiv, also „wegen des schlechten Wetters“.
  23. Worte oder Wörter? Es kommt darauf an: „Wörter“ sind die kleinsten grammatischen Einheiten der Sprache, „Worte“ stehen in einem engen Sinnzusammenhang.
  24. Zeitgleich oder gleichzeitig? Semantischer Unterschied. „Zeitgleich“ heißt, dass z. B. zwei Sportler die gleiche Zeit erreicht haben, „gleichzeitig“, dass etwas zur gleichen Zeit geschieht.
  25. Zeitweiliger oder zeitweiser Anstieg? Beides möglich, Begründung wie bei „stufenweiser Abbau“. Der Duden lässt ein Adverb wie „zeitweise“ auch als Adjektiv zu, wenn es vor einem substantivierten Verb steht.

 

Verlage, Institutionen und Vereine, die sich mit der deutschen Sprache befassen:

Duden: Rechtschreibwörterbuch der deutschen Sprache. Bis 1996 verbindlich für die Rechtschreibung („Dudenmonopol“).

Wahrig: Wörterbuch der deutschen Sprache. Prinzipiell gleichrangig mit dem Duden.

Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache: ein groß angelegtes Forschungsprojekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

Im Internet: www.dwds.de

Institut für deutsche Sprache (IDS): eine Stiftung zur wissenschaftlichen Erforschung der Gegenwartssprache, mit Abteilungen für Grammatik, Lexik und Pragmatik.

Im Internet: www.owid.de
u. a. mit Beiträgen zu festen Wortverbindungen, zu Neologismen und zum „Schulddiskurs 1945-1955“.

Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS): ein weitgehend staatlich finanzierter Verein zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache. Wählt das „Wort des Jahres“ und verleiht den „Medienpreis für Sprachkultur“.
Zeitschriften: „Sprachdienst“ und „Muttersprache“.

Im Internet: gfds.de/publikationen/der sprachdienst/
u. a. mit einer Auflistung der grammatischen Fachausdrücke

Verein Deutsche Sprache e. V.(VDS): Fördert den Gebrauch der deutschen Sprache im Ausland und kämpft gegen Anglizismen. Kürt den „Sprachpanscher des Jahres“.
Zeitschrift: „Sprachnachrichten“.

Verein Muttersprache: ein österreichischer Sprachverein, bekämpft überflüssige Fremdwörter und bevorzugt die traditionelle Rechtschreibung.


Weitere Webadressen:

belleslettres.eu. Deutsch für Dichter und Denker. Video-Tutorials zur deutschen Sprache.

canoo.net
u. a. mit einer klaren Einführung in die deutsche Grammatik und übersichtlichen Angaben zur reformierten Rechtschreibung.

schreiblabor.com
u. a. mit der Möglichkeit, in eigenen Texten überflüssige Füllwörter aufzuspüren.


Webadressen speziell zur Rechtschreibung:

duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln

neue-rechtschreibung.de/regelwerk/
Die 20 wichtigsten Regeln zur Rechtschreibung

grammatik.woxikon.de/regeln.php
10 wichtige Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung

die-nachrichtenagenturen.de/wortlisten.htm
Die Hausorthografie der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen


Telefonische Sprachberatung:

Duden-Sprachberatung, Tel. 09001/870098

Das Sprachtelefon der RWTH Aachen, Tel. 0241/809 6074

Gesellschaft für deutsche Sprache. Service-Telefon 09001/888128

Die Schreibwerkstatt, Uni Duisburg-Essen, Tel. 0201/183 3363 6270

Sprachberatung der Uni Siegen, Tel. 0271/740 2970