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Geschichte der Radionachrichten

 

Radionachrichten sind zum Verschwinden da. Der Sprecher trägt sie vor, das Publikum lauscht – dann haben die Nachrichten ihren Wert verloren. Denn nichts ist uninteressanter als eine alte Nachricht. Aber ab und zu werden Nachrichten mitgeschnitten und aufbewahrt. Diese alten Nachrichtensendungen werden dann zu wertvollen Dokumenten der Zeitgeschichte: die Meldung selbst, vor allem aber der Klang der Nachrichten, die Stimme des Sprechers, der Nachrichtengong, ja, selbst der Wetterbericht mit den Angaben zum Luftdruck. 10 Hörbeispiele aus der Radiogeschichte:

Hörbeispiel 1: Drahtlose Dienst AG (Dradag), 13.2.1932:

Diese Nachrichtensendung gilt als die (gegenwärtig) älteste erhaltene Nachrichtensendung des deutschen Hörfunks. Die Dradag war Nachrichtenzentrale des Rundfunks in der Weimarer Republik. Sie belieferte alle Sender – von Königsberg bis München – mit Nachrichten, die dann dort in eigener Regie präsentiert wurden, ergänzt durch eigene Informationen über Wirtschaft, Sport und Wetter.

Hörbeispiel 2: Großdeutscher Rundfunk, 6. Juni 1944

Womit beginnen die Nachrichten? Mit dem, was das Publikum im 2. Weltkrieg am meisten interessiert: mit den Luftlagemeldungen. In der Normandie begann die Landung der alliierten Streitkräfte. Der Untergang des Reiches stand bevor. Davon ist aber nichts zu spüren. Das sind keine Nachrichten, das ist Kriegspropaganda.

Hörbeispiel 3: Großdeutscher Rundfunk, 1. Mai 1945:

Die „Meldung aus dem Führerhauptquartier“, mehr gebrüllt als gelesen: Adolf Hitler  sei in seinem Befehlsstand gefallen, natürlich bis zum letzten Atemzuge kämpfend gegen den Bolschewismus. Eine der vielen Lügen des Nazi-Rundfunks, denn Hitler hatte sich feige umgebracht. Sein Propagandaminister Goebbels folgte ihm.

Hörbeispiel 4: Großdeutscher Rundfunk, 9. Mai 1945:

Neun Tage nach der Meldung über Hitlers Tod hatten die Nazis nur noch einen Sender in ihrer Hand, den „Reichssender Flensburg“.  Er brachte den letzten Wehrmachtsbericht. Dann war Funkstille…

Hörbeispiel 5, Süddeutscher Rundfunk, 1952:

„Bitte stellen Sie Ihr Gerät auf Zimmerlaustärke!“, ermahnt der Nachrichtensprecher seine Hörer und präsentiert dann als erstes einen ausführlichen Wetterbericht, mit Informationen zum Sonnenaufgang und Sonnenuntergang und zum Luftdruck über Stuttgart in 297 Meter Höhe.

Hörbeispiel 6, Bayerischer Rundfunk, 1. Oktober 1952:

Nachrichten aus den ersten Jahren der Bundesrepublik. Im Kalten Krieg stehen sich Ost und West gegenüber und legen jedes Wort auf die Goldwaage. Wie sonst ist es zu erklären, dass sich der Bayerische Rundfunk in einer 3-Minuten-Meldung dem Sowjetführer Stalin widmet? Besonders hörenswert: der Gong. Bis in die 60er Jahre hinein war der Abend die wichtigste Sendezeit des Radios – mit ausführlichen Nachrichten.

Hörbeispiel 7: DDR-Rundfunk, 1. August 1973:

Als der Staatratsvorsitzende der DDR, Walter Ulbricht, starb, waren viele Leute in der DDR erschüttert. Offenbar auch der Nachrichtensprecher des DDR-Rundfunks. Er kämpft mit den Tränen – und liefert einen hörenswerten Beweis für die Parteilichkeit der DDR-Nachrichten.

Hörbeispiel 8: DDR-Rundfunk, 26. August 1978:

Es war die größte Stunde der DDR: Der erste Deutsche im All! Ein Bürger der Deutschen Demokratischen Republik! Alle Sender des DDR-Rundfunks wurden zusammenschaltet, um die Nachricht in die Welt zu posaunen.  Offenbar handelte es sich um eine Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur ADN, die der aufgeregte Sprecher genau so vortragen musste, mit allen Kürzeln und Überschriften.

Hörbeispiel 9: Deutschlandfunk, 9. November 1989:

20 Uhr 01. Die Nachrichten des Deutschlandfunks mit einer Minute Verspätung. Der Hörer wird es dem DLF verziehen haben, denn die Spitzenmeldung kündete vom vielleicht schönsten Ereignis des 20. Jahrhunderts, vom Fall der Berliner Mauer.

Hörbeispiel 10, Süddeutscher Rundfunk, 3. Oktober 1990:

Von wegen Nachrichtenjingle! Auch 1990 läutete noch der GONG die Nachrichtensendung ein: „Deutschland ist wiedervereinigt und souverän.“ Ein schöner Leadsatz. Ein lässiger Nachrichtensprecher. Ein großes Ereignis.

 

Und zum Abschluss: Eine kleine Zeitreise. Nachrichtengeschichte in 90 Sekunden:

Die Nachrichten stammen aus den Beständen des Deutsche Rundfunkarchivs: dra.de. Vielen Dank!

Der systematischen Sammlung von Radionachrichten dient ein Projekt, das 2003 von Nachrichtenchefs der ARD gegründet worden ist: die Nachrichtenarche. Ausführliche Informationen und natürlich Hörbeispiele finden Sie hier: Nachrichtenzukunft.de  Auf dieser Seite gibt es auch mehrere Beiträge zur Geschichte der Radionachrichten.