Idee und Nachrichtenmeldung:
Veronika Grandke, Antonia Kaloff, Dietz Schwiesau
Sprecherin: Antonia Kaloff
Tontechnik und Verpackung: Michael Thaler
Texte, Notationen und Übungen: Ines Bose, Anna Schwenke
Halle/Magdeburg 2016
Zum Gebrauch
Das Vorlesetraining richtet sich an Lehrerende (als Demonstrations- und Lehrmaterial) und an Lernende (als Lernmaterial und Ratgeber). Es bietet Grundbegriffe und Tipps zur Vorbereitung auf eine Vorlesesituation, zur Erarbeitung einer Sprechfassung und zum sinnvermittelnden und situationsangemessenen Vorlesen. Das Vorlesetraining bezieht sich zwar exemplarisch auf das Vorlesen von Radionachrichten, die Grundbegriffe und Tipps lassen sich aber auf andere Vorlesesituationen übertragen.
Theoretische Grundlage bilden die Sprechwissenschaftliche Leselehre (u.a. Stock 1996a; Gutenberg 1998a; Ockel 2000) sowie sprechwissenschaftliche Untersuchungen zu Radionachrichten (Apel/Schwenke 2014; Bose/Schwiesau 2011; Bose 2015).
Das Vorlesetraining illustriert anhand einer Nachrichtenmeldung, welche Anforderungen Nachrichtensprecher/innen im Radio erfüllen müssen und welche sprecherischen Gestaltungen angemessen bzw. unangemessen sind. Wir begleiten die Praktikantin Mia, die ihre erste Woche in der Nachrichtenredaktion eines regionalen Unterhaltungssenders verbringt. Mit dem Sprechtrainer Paul übt sie das Präsentieren von Nachrichten. Aus analytischen und didaktischen Gründen sind die Beispiele so aufgebaut, dass immer nur ein sprecherisches Merkmal verändert und betrachtet wird. In der Realität wirken diese Merkmale aber selbstverständlich zusammen.
Im Lösungsteil finden sich Lösungsvorschläge zu den Übungen, Notationen für die Hörbeispiele 5 bis 10 sowie Kopiervorlagen.
Der Übungsteil ist folgendermaßen aufgebaut:
Legende
| | Gliederungseinschnitt (z.B. Pause und/oder phonetischer Kontrast) am Ende einer nichtabgeschlossenen Sprecheinheit |
|| | Gliederungseinschnitt (z.B. Pause und/oder phonetischer Kontrast) am Ende einer abgeschlossenen Sprecheinheit |
→ | schwebende Sprechmelodie am Ende einer Sprecheinheit |
↗ | stark steigende Sprechmelodie am Ende einer Sprecheinheit |
↘ | stark fallende Sprechmelodie am Ende einer Sprecheinheit |
Neustadt | akzentuiertes Wort (mit hervorgehobener Akzentsilbe) |
Hörbeispiel anhören
Übung bearbeiten
weiterführende Literatur
Die Hörbeispiele finden sich auf der Seite.
In unserer Gesellschaft wird viel vorgelesen: Eltern und Großeltern lesen kleinen Kindern zu Hause Märchen und Kinderbücher vor, in der Kindertagesstätte lesen Kindergärtner/innen vor, es gibt öffentliche und private literarische Lesungen. Besonders beliebt sind zurzeit Hörbücher, in denen professionelle Sprecher/innen literarische Texte vorlesen. Darüber hinaus gibt es öffentliche Situationen, in denen Redner/innen selbst geschriebene Texte mündlich vortragen, z.B. Festreden und Fachvorträge. Vorgelesen wird auch in Fernsehen und Radio: Redakteure und Redakteurinnen schreiben Manuskripte für Beiträge oder Nachrichten und präsentieren sie selbst vor dem Mikrofon oder übergeben sie an professionelle Sprecher/innen.
Vorlesen (reproduktives Sprechen) unterscheidet sich grundsätzlich vom freien Formulieren (produzierendes Sprechen): Beim frei formulierenden Sprechen werden sprachlicher Inhalt und sprecherische Form einer Äußerung gleichzeitig geplant und frühzeitig im Sprachproduktionsprozess miteinander verschränkt. Beim Vorlesen dagegen liegt bereits ein sprachlich ausformulierter Text schriftlich vor und der/die Vorleser/in muss dazu im Nachhinein eine passende sprecherische Form finden, die für eine konkrete Situation, ein konkretes Publikum, ein bestimmtes Textgenre angemessen ist. Ziel ist, dass Zuhörer/innen den Sinn des Textes gut erschließen können. Das bedeutet, ein/e Vorleser/in den Sinn des vorliegenden Textes verstehen und diesen adäquat sprecherisch umsetzen, also z.B. Textabschnitte und damit den Textaufbau deutlich machen sowie den Text in Sprecheinheiten gliedern und sinnwichtige Wörter (v.a. neue Informationen) hervorheben. Und dazu muss er/sie eine für die konkrete Sprechsituation, die Erwartungen der Zuhörer/innen und das Textgenre angemessene Sprechhaltung finden (z.B. den typischen „Märchenklang“ oder „Nachrichtensound“ treffen).
Dafür werden im Deutschen vor allem folgende sprecherische Merkmale genutzt und auf charakteristische Weise miteinander kombiniert: Melodieführung, Lautheits- und Tempovariation sowie Pausensetzung, aber auch die Variation von Stimmklang und Sprechspannung.
Eine wichtige Vorlesesituation ist das Präsentieren von Nachrichten im Radio. Radionachrichten gehören zu den wichtigsten Quellen, die über Neuigkeiten in der Region, im eigenen Land oder in der Welt informieren. In der BRD sind alle Radiosender verpflichtet, Nachrichten regelmäßig und tagesaktuell zu senden. Nachrichtenredakteure und -redakteurinnen wählen aus zahlreichen Agenturmeldungen die wichtigsten Themen des Tages aus und formulieren Nachrichtenmeldungen. Interessant sind Inhalte aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft oder auch Sport, Kultur und Boulevard. Wichtig ist, dass eine Information neu ist. Ebenso wichtig ist, dass eine Radio-Nachrichtenmeldung so geschrieben wird, dass sie sinnvermittelnd vorgelesen und gut verstanden werden kann. Denn Radio ist ein auditives Medium: Hörer/innen müssen Nachrichten während des Zuhörens sofort verstehen, sie können nicht nachfragen oder wie in einem Buch noch einmal zurückblättern. Außerdem hören sie Radio oft nur „nebenbei“, während anderer Tätigkeiten (z.B. Auto fahren oder frühstücken) – es kommt also darauf an, dass die Informationen in den Nachrichten sprachlich und sprecherisch besonders gut verständlich aufbereitet werden.
Das Nachrichtenschreiben muss gelernt sein und geübt werden – es richtet sich nach journalistischen Prinzipien hörverständlichen Schreibens (sog. „Schreiben fürs Hören“). Zukünftige Radioredakteure und -redakteurinnen machen sich in ihrer Ausbildung mit diesen Prinzipien vertraut und werden von erfahrenen Kolleg/inn/en dazu angeleitet, Nachrichtentexte allgemeinverständlich, wertungsfrei, alltagstauglich sowie korrekt zu formulieren.
Auch das Nachrichtensprechen muss gelernt sein und geübt werden. In den öffentlich-rechtlichen Radiosendern gibt es dafür Sprechtrainer/innen, die mit den Nachrichtensprecher/inne/n das sinnvermittelnde und hörerbezogene Vorlesen von Texten im Radio üben.
Apel, Heiner / Schwenke, Anna (2014): „16.00 Uhr – die Themen“: Aktuelle sprechwissenschaftliche Untersuchungen zu Radionachrichten. In: Ebel, Alexandra (Hg.): Aussprache und Sprechen im interkulturellen, medienvermittelten und pädagogischen Kontext, 11-34. (Online-Publikation: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:2-24373).
Bose, Ines (Hg.) (2015): Radio, Sprache, Klang. Forschungen zur Radioästhetik und Radioidentität. (= SPIEL Neue Folge. Eine Zeitschrift zur Medienkultur. Jg.1 2015, Heft 1/2). Lang: Frankfurt am Main.
Bose, Ines / Schwiesau, Dietz (Hg.) (2011): Nachrichten schreiben, sprechen, hören. Forschungen zur Hörverständlichkeit von Radionachrichten. Frank & Timme: Berlin.
Gutenberg, Norbert (1998a): Einzelstudien zu Sprechwissenschaft und Sprecherziehung. Arbeiten in Teilfeldern. Kümmerle: Göpping (Kapitel 5.2: Sprechdenken – Hörverstehen – Leselehre).
Ockel, Eberhard (2000): Vorlesen als Aufgabe und Gegenstand des Deutschunterrichts (Deutschdidaktik aktuell 7). Schneider: Hohengehren.
Schwiesau, Dietz / Ohler, Josef (2016): Nachrichten – klassisch und multimedial. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. Springer: Berlin. (Kapitel „Die Nachrichtensprache“).
Stock, Eberhard (1996a): Deutsche Intonation. Langenscheidt: Leipzig u.a.
Übungsabfolge und Hörbeispiele
Mia ist Praktikantin in der Nachrichtenredaktion eines regionalen Unterhaltungssenders. Ihr größter Wunsch: Sie will Nachrichtensprecherin werden. Deshalb übt sie mit dem Sprechtrainer Paul das Präsentieren von Nachrichten anhand der Nachrichtenmeldung „Wohnungsbrand in Neustadt“. Diese Meldung liegt in zwei Textvarianten vor – Mia muss sich zuerst für eine entscheiden. Die ausgewählte Meldung liest Mia dann vor dem Mikrofon ein paar Mal hintereinander und Paul gibt ihr Feedback: Er beschreibt, wie Mia gesprochen hat und wie es auf ihn wirkt. Außerdem gibt er Tipps, was Mia verbessern sollte.
Zuerst werden die beiden Textvarianten der Nachrichtenmeldung vorgestellt und analysiert. Danach illustrieren acht Hörbeispiele verschiedene sprecherische Gestaltungsmittel des Vorlesens mit Beschreibungen und Übungen:
Außerdem gibt es zwei Hörbeispiele für sinnvermittelndes und situationsangemessenes Vorlesen:
Notationen für die Hörbeispiele 5 bis 10 finden sich im Lösungsteil.
Die Hörbeispiele finden sich auf der Seite.
2.1 Nachrichtentext
2.2 Sprechtempo
2.3 Lautheit
2.4 Sprechhaltung
2.5 Sprechmelodie
2.6 Sprechstimmlage
2.7 Sprechgliederung
2.8 Akzentuierung
2.9 Sinnvermittelndes und situationsangemessenes Vorlesen
2.10 Checkliste fürs Vorlesen
Apel, Heiner / Schwenke, Anna (2014): „16.00 Uhr – die Themen“: Aktuelle sprechwissenschaftliche Untersuchungen zu Radionachrichten. In: Ebel, Alexandra (Hg.): Aussprache und Sprechen im interkulturellen, medienvermittelten und pädagogischen Kontext. Beiträge zum 1. Doktorandentag der Halleschen Sprech-wissenschaft, 11-34.
(Online-Publikation: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:2-24373).
Apel, Heiner / Schwenke, Anna (2011): „Grundlagen von Sprach- und Sprechtrainings für Nachrichtensprecher im Hörfunk – empirische Validierung vorhandener Standards“. In: Krafft, Andreas / Spiegel, Carmen (Hg.): Sprachliche Förderung und Weiterbildung – transdisziplinär. Forum Angewandte Linguistik Bd. 51. Frankfurt am Main, 177-196.
Apel, Heiner (2009): Behalten und Verstehen von Hörfunknachrichten: medien-theoretische Hintergründe und empirische Belege zum Einfluss der Prosodie. In: Anders, Lutz-Christian / Bose, Ines (Hg.): Aktuelle Forschungsthemen der Sprechwissenschaft 1. Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen / Sprache und Sprechen von Hörfunknachrichten. Lang: Frankfurt am Main, 89-127.
Bose, Ines (Hg.) (2015): Radio, Sprache, Klang. Forschungen zur Radioästhetik und Radioidentität. (= SPIEL Neue Folge. Eine Zeitschrift zur Medienkultur. Jg.1 2015, Heft 1/2). Lang: Frankfurt am Main.
Bose, Ines / Schwiesau, Dietz (Hg.) (2011): Nachrichten schreiben, sprechen, hören. Forschungen zur Hörverständlichkeit von Radionachrichten. Frank & Timme: Berlin.
Bose, Ines (2010): Stimmlich-artikulatorischer Ausdruck und Sprache. In: Deppermann, Arnulf / Linke, Angelika (Hg.): Sprache intermedial: Stimme und Schrift, Bild und Ton. (= Jahrbuch des IDS 2009). de Gruyter: Berlin, New York: 29-68.
Bose, Ines (2003): Wissenschaftliche Grundlagen der Leselehre – Aktuelle Überlegungen zu einem traditionellen sprechwissenschaftlichen Teilfach. In: Anders, Lutz-Christian / Hirschfeld, Ursula (Hg.): Sprechsprachliche Kommunikation. Probleme, Konflikte, Störungen. Lang: Frankfurt am Main. 53-64.
Bose, Ines (2001): Methoden der Sprechausdrucksbeschreibung am Beispiel kindlicher Spielkommunikation. In: Gesprächsforschung – Onlinezeitschrift zur verbalen Interaktion 2, 262-303. (www.gespraechsforschung-ozs.de).
Bose, Ines (1994): Zur temporalen Struktur frei gesprochener Texte. Forum Phoneticum 58. Frankfurt am Main. (zugl.: Diss., Halle-Wittenberg, Univ., 1990).
Gutenberg, Norbert (1994): Fürs Sprechen schreiben – fürs Hören sprechen. Anmerkungen zum Sprach- und Sprechstil von Nachrichten. In: Sprechen I/94, 26-31.
Gutenberg, Norbert (1998a): Einzelstudien zu Sprechwissenschaft und Sprecherziehung. Arbeiten in Teilfeldern. Kümmerle: Göppingen. (Kap. 5.2: Sprechdenken – Hörverstehen – Leselehre, 425ff.).
Gutenberg, Norbert (1998b): Mündlichkeit und Schriftlichkeit von Hörfunknachrichten. In: Blaes, Ruth (Hg.): Handwerk Nachrichten. (ZFP-Dossier). Augsburg, 45-63.Gutenberg,
Norbert (Hg.) (2005): Schreiben und Sprechen von Hörfunknachrichten. Zwischenergebnisse sprechwissenschaftlicher Forschung. Lang: Frankfurt am Main u.a.
Immel, Karl-Albrecht (2014): Regionalnachrichten im Hörfunk. Verständlich schreiben für Radiohörer. Springer: Wiesbaden.
Kleinsteuber, Hans J. (2012): Radio. Eine Einführung. VS Verlag: Wiesbaden.
Ockel, Eberhard (2000): Vorlesen als Aufgabe und Gegenstand des Deutschunterrichts (Deutschdidaktik aktuell 7). Schneider: Hohengehren.
Schwenke, Anna (2011): Einfluss einer Textvorlage auf die sprecherische Realisierung – Auditiv-phonetische Analyse quasiauthentischer Sprechfassungen des Testmaterials. In: Bose, Ines / Schwiesau, Dietz (Hg.): Nachrichten schreiben, sprechen, hören. Forschungen zur Hörverständlichkeit von Radionachrichten. Frank & Timme: Berlin, 125-145).
Schwenke, Anna (2012): Wie klingen Radionachrichten? Sprechstil von Radionachrichten – Konstanz und Varianz. In: Rundfunk und Geschichte. 1-2/2012, 88-90.
Schwiesau, Dietz / Ohler, Josef (2016): Nachrichten – klassisch und multimedial: Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. Springer: Berlin.
Schwitalla, Johannes (2006): Gesprochenes Deutsch. Eine Einführung. Schmidt: Berlin.
Stock, Eberhard (1996a): Deutsche Intonation. Langenscheidt. Leipzig u.a.
Stock, Eberhard (1996b): Intonation und Text. In: Bergmann, Rolf / Eroms, Hans-Werner / Vennemann, Theo (Hg.): Sprachwissenschaft. Bd. 21. Heidelberg, 211-240.
Wachtel, Stefan (2009a): Sprechen und Moderieren in Hörfunk und Fernsehen. UVK: Konstanz.
Wachtel, Stefan (2009b): Schreiben fürs Hören. Trainingstexte für Mikrofon und Kamera. UVK: Konsta
Hier finden Sie die PDF zum Lösungsteil: Vorlesetraining_gelbeReihe_Lösungsteil_160226