Mobiler Journalismus

Interview mit Björn Staschen

Was ist mobiler Jour­nalismus?

Den Begriff finde ich etwas unglücklich – denn natürlich ist jeder Journalist mobil! „Mobiler Journalismus“ beschreibt hauptsächlich die Produktionsform – Journalismus mit Mitteln, die sich auch unterwegs leicht einsetzen lassen, in erster Linie Smartphones und passendes Zubehör.

Vor allem die Briten nennen ihr Smartphone „Mobile Phone“ – daher stammt der Begriff und ist (leider) wörtlich ins Deutsche übersetzt worden. Letztendlich erhöht „Mobiler Journalismus“ aber auch die Mobilität von Journalisten, weil sie ein Ereignis länger beobachten können, während sie schon berichten.

Welche Vorteile bietet mobiler Jour­nalismus?

Es gibt eine ganze Reihe von Vorteilen, auf die ich im Buch ausführlich eingehe: Mit dem Smartphone kann jedermann Video und Audio produzieren, das demokratisiert die audiovisuellen Medien. Bisher waren Fernsehen und Hörfunk vor allem denen vorbehalten, die in teure Produktionsmittel investieren konnten. Medienhäuser können zudem Kosten sparen. Außerdem erlaubt das Smartphone, ein Ereignis länger zu beobachten: Das macht uns am Ende zu besseren Journalisten, weil wir länger vor Ort sein können. Viele Menschen sind es heute gewohnt, mit dem Smartphone Videos aufzuzeichnen. Dadurch ist die Hürde sehr viel kleiner, die Interview­partner/­innen überspringen müssen, wenn wir mit ihnen ins Gespräch kommen wollen.

Niederländische Journalisten haben beispielsweise die Erfahrung gemacht, dass sie mit kleinem Produktions­besteck leichter ins Gespräch mit Menschen kommen, die klassische Medien eher ablehnen. Außerdem bietet das Smartphone die Möglichkeit, aus ungewöhnlichen Blickwinkeln zu filmen.

Welche Nachteile sehen Sie?

Das Smartphone taugt nicht zur Berichterstattung über jedes Thema: Schwierige Tonumgebungen mit mehreren Gesprächspartnern lassen sich schwer aufnehmen. Ebenso Situationen, die eine lange Brennweite erfordern, weil ich zum Beispiel aus der Entfernung beobachte. Auch anspruchs­volle Licht­situationen, mit starken Kontrasten oder nachts, sind mit dem Smartphone schwer abzubilden. Zudem falle ich mit dem Smartphone nicht sofort als Medienvertreter/in auf: Das kann von Vorteil, aber auch Nachteil sein.

Denn bei Demonstrationen bin ich womöglich weniger geschützt als ein dreiköpfiges Kamerateam. Daraus leitet sich auch eine wichtige Erkenntnis ab: Wer mit dem Smartphone dreht, sollte nicht zwangsläufig allein unterwegs sein. Bestimmte Situationen erfordern nach wie vor die Arbeit im Team, unabhängig vom Produktionsmittel.

Welche Minimalausrüstung brauche ich?

Entscheidend ist, was ich berichte: Je stärker die Geschichte, desto weniger wichtig die Ausrüstung. Aus meiner Sicht ist ein externes Mikrofon erforderlich, um Interviews zu führen. Sonst lenkt die schlechte Tonqualität oft vom Inhalt ab. Ein Stativ hilft, gerade bei Interviews, die Hände für das Mikrofon freizuhalten. Und eine Powerbank ist sinnvoll, weil gute Smartphone-Apps für den Videodreh viel Batteriepower saugen.

Worauf sollte ich beim Drehen mit dem Smartphone achten?

In Workshops gebe ich gerne drei Tipps: Das Telefon sollte aufgeräumt sein, damit Platz für die großen Videofiles ist, die wir für gute Bildqualität brauchen. Das Telefon sollte im Flugmodus sein, damit nicht Omas Anruf die beste Szene meines Lebens zerstört.

Wer ein Ereignis größer zeigen möchte, der zoomt nicht (weil das die Bildqualität verschlechtert), sondern geht näher ans Ereignis heran („Zoom with your feet“). Und angesichts des begrenzten Speicherplatzes auf dem Telefon und der Schwierigkeit, viel Material auf einem kleinen Gerät zu sichten, sollte eine Szene gut eingerichtet sein, bevor die Aufnahme beginnt.