Oliver Schlappat ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Presserat, dessen Geschäftsstelle ihren Sitz in Berlin hat. |
Was wird aus Ihrer Sicht heute am häufigsten bei der Recherche vernachlässigt?
Oliver Schlappat: Aus meiner Sicht ist ein immer wieder auftretendes Problem, dass sich Journalistinnen und Journalisten auf Informationen verlassen, die ihnen aus vermeintlich verlässlichen Quellen zukommen. Dazu gehören beispielsweise die Mitteilungen von Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden, politischen Gruppierungen oder NGOs, die naturgemäß keinen publizistischen Grundsätzen verpflichtet sind. Weniger ein Rechercheproblem, jedoch ein zunehmend auftretendes, ist die Verwendung von Informationen und Inhalten aus sozialen Netzwerken. Damit kann zum Beispiel gegen den Schutz der Persönlichkeit verstoßen werden, wenn zum Beispiel Fotos verwertet werden, die sozialen Medien entnommen worden sind. In Bezug auf Recherche ist darüber hinaus problematisch, dass gerade bei der Wiedergabe von Informationen aus sozialen Netzwerken auf eine gründliche Prüfung der Plausibilität geachtet werden muss.
Stichwort: Ein-Quellen-Journalismus: Gibt es aus Sicht Ihrer Praxis heute mehr Probleme mit Recherchemängeln als früher?
Oliver Schlappat: Das geben die uns vorliegenden Beschwerden und die Entscheidungen darüber nicht her. Das Risiko, die Recherche zu Gunsten der Geschwindigkeit bei einer Veröffentlichung zu vernachlässigen, hat sich durch das Internet zwar verschärft. Jedoch sind sich nach unserer Erfahrung die Journalisten dieser Problematik bewusst. Prinzipiell birgt auch der Kostendruck in der Branche und der damit verbundene Arbeitsdruck die Gefahr, dass gewissenhafte Arbeit in den Redaktionen vernachlässigt werden könnte. Statistische Daten dazu können wir als Presserat nicht erheben.
Sie sind zuständig für Print und die Online-Ableger: Gibt es aus Ihrer Sicht Unterschiede zwischen beiden Medien, was die Qualität der Recherche betrifft?
Oliver Schlappat: Beide Vertriebswege haben Vor- und Nachteile. In Bezug auf Ansprüche an die Recherche gibt es keine Unterschiede. In Einzelfällen mag der Druck, einen Online-Text möglichst schnell zu veröffentlichen, zu nicht ausreichenden Recherchen führen. Ich halte das eher für die Ausnahme. Das weit verbreitete Gefühl, online werde weniger oder schlechter recherchiert, hat meiner Meinung nach viel damit zu tun, dass Online sich schon aus rein technischen Gründen sehr gut für die Weitergabe von kurzen und kurzlebigen Nachrichten eignet, die zumeist keiner aufwändigen Recherche bedürfen. Entsprechend sind diese online zahlreicher zu finden als im Print-Bereich. Im Übrigen sind wir auch zuständig für solche journalistischen Internet-Angebote, die zwar nicht den Verlagen zuzurechnen sind, die sich aber von sich aus mit Abgabe einer Selbstverpflichtungserklärung gegenüber dem Deutschen Presserat zu den publizistischen Grundsätzen bekennen.
Das komplette Interview finden Sie auf Seite 116 des Buchs „Recherchieren“