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Der Wissenschaftsredakteur im Medienbetrieb
  (Patrick Illinger)


Oft ist in jüngerer Zeit von einem »Wissenschafts-Boom« in der deutschen Medienszene zu hören. Hintergrund sind eine Reihe neuer erfolgreicher TV-Formate, die mit wissenschaftlich-technischen Themen gute Quote machen und neue Printmagazine, die erfolgreich am Lesermarkt bestehen, unter ihnen »Geo kompakt«, »Welt der Wunder«, »Zeit Wissen« und »Süddeutsche Zeitung Wissen«. Doch bei genauerem Hinsehen wird aus der scheinbaren Flut neuer Publikationen eher ein wohltuender Schauer, der von einem wissensdurstigen Publikum dankbar empfangen wird. Ein wöchentliches populärwissenschaftliches Magazin wie den britischen »New Scientist« gibt es in Deutschland noch längst nicht. In dem vermeintlichen »Boom« ist also durchaus Platz für weiteres.

Die viel tiefer greifende Expansion des Themas Wissenschaft hat in den vergangenen Jahren anderswo stattgefunden: innerhalb der großen, fest etablierten Medien. Wissenschaftsjournalismus hat einen bedeutenden Aufstieg innerhalb der Redaktionen großer Zeitungen, Magazine und Rundfunksender erlebt. Die großen Tageszeitungen haben nahezu synchron begonnen, täglich Stoff aus der Wissenschaft anzubieten, Fernsehkanäle bringen Wissensthemen in allen zentralen Informationssendungen. Die Wissenschaft ist raus aus der Beilagenecke, in der sie noch vor wenigen Jahren als Nice-to-have-Abteilung um ihre Existenzberechtigung zwischen den anzeigenträchtigeren Reise-, Auto- und Immobilienteilen bangen musste. Intendanten und Chefredakteure haben ihre Wissenschaftsredaktionen in den Kreis der aufmachertauglichen und leitartikelfähigen Ressorts erhoben.

Das Thema Wissenschaft landet seit einigen Jahren zuverlässig ganz vorne, wenn große Zeitungen ihren Lesern die verlegerisch wichtige Frage stellen: Wovon hätten Sie denn gerne mehr? Das geht nicht ohne Reibungsverluste ab. Denn anders als in der Politik, wo die tägliche Agenda oft durch die aktuellen Geschehnisse vorgegeben ist, muss der Wissenschaftsredakteur in einer eher ungeordneten Kruschkiste von Nachrichten wühlen, wenn er sich nicht ganz dem Diktat der großen Fachjournale unterwerfen will, und wenn nicht gerade ein Jahrhundert-Hurrikan vor der amerikanischen Küste wirbelt. Wenn Chefredakteure dann in anderen Medien andere Wissenschaftsberichte finden, kommt oft die klassische Chefredakteursfrage: Warum haben wir das nicht? Die korrekte Antwort lautet dann: Weil das, was wir haben, spannender ist. Oder wichtiger. Oder interessanter.