Second Screen: Zuschauer suchen Gemeinschaft

Social TV, das Herstellen von Gemeinsamkeit, scheint ein wesentliches Motiv für sendungsbezogene Onlineaktivitäten von Fernsehzuschauern zu sein. Das ergab die Auswertung mehrerer Studien rund um das Thema Second Screen, von Uli Gleich für den ARD-Forschungsdienst. Demnach nutzt inzwischen über die Hälfte der Deutschen Fernsehen und Internet häufig oder manchmal parallel. Der größere Anteil der Onlineaktivitäten ist dabei allerdings unabhängig vom gerade gesehenen Fernsehprogramm (z.B. Bearbeiten von E-Mails; Surfen). Eine direkt auf eine laufende Sendung bezogene Nutzung des zweiten Bildschirms (z.B. Abrufen von Informationen über das Programm, Kommentare, Teilnahme an einem Quiz) ist im Gegensatz dazu – auch im internationalen Vergleich – noch unterdurchschnittlich ausgeprägt.

Eine inhaltliche Untersuchung der Anschlusskommunikation auf Twitter zeigte, dass sie wenige interaktive Anteile (d.h. im Sinne einer tatsächlichen Diskussion) hatte, sondern eher von singulären Statements und Kommentaren geprägt war. Eine weitere Studie ergab, dass die Kommentare und Stellungnahmen von Zuschauern in sozialen Netzwerken Rückwirkungen auf die Sendungen haben können. Die sendungsbezogene Facebook-Kommunikation bewirkte einen signifikanten Agenda-Setting-Effekt im Hinblick auf die Themenwahl in der Sendung.
Quelle: Abstract zum Beitrag bei Media Perspektiven 3/2014, dort auch der Volltext als PDF

Tagung: Technik treibt den Journalismus an

Mit Journalismus und Technik befassten sich die Präsentationen und eine Podiumsdiskussion bei der Jahrestagung „Von analog nach digital“ der Journalistik-Fachgruppe der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften in München.

Martin Welker und seine Kollegen Leif Kramp und Stephan Weichert fragten nach der Innovationspotenz in Zeitungsredaktionen. Dabei ging es auch um lernende Redaktionen. Hier im Bild präsentiert Martin Welker drei altersmäßig unterscheidbare Personentypen in Redaktionen.

Wie der Second Screen bei der „Rundshow“ vom Bayerischen Rundfunk eingesetzt wird, untersuchte Timo Spiess in seiner Bachelor-Arbeit bei Annika Sehl. Eins seiner Ergebnisse: Die große Mehrheit nutzt nicht etwa Facebook, sondern Twitter.

In der Podiumsdiskussion am Schluss präsentierte Heinrich Hussmann einen Blick in die Geschichte der Online-Technik – dazu zählen für ihn bereits das Web 2.0 und auch das „Web quared“ – und in ausgewählte Projekte der Medieninformatik.

Zum Programm der Tagung
Zum Book of Abstracts (PDF)

Social TV rettet lineares Fernsehen

Berlin – Tag und Nacht ist eine Erfolgsstory: TV und Social Media gehen hier eine enge Verbindung ein. 2,2 Mio Fans hatte die Facebook-Seite zur Sendung; bis zu 340.000 Nutzer sprechen darüber. Der meist diskutierte Post hatte 12.094 Kommentare, die erfolgreichste Umfrage sammelte 82.249 Stimmen. Maximale Anzahl von Gefälltmirs für einen Post: unglaubliche 105.518. Jan Eggers, Autor beim Lehrbuch Radio-Journalismus, schreibt über ein spannendes Seminar.

Smartphones und Tablets zunehmend als „Second Screen“ genutzt

Die mobile Internetnutzung hat sich in den letzten drei Jahren mehr als verdoppelt (2009: 11%; 2012: 23%). Das zeigt die ARD-ZDF-Onlinestudie 2012, die soeben veröffentlicht wurde. Dabei ersetzen mobile Endgeräte wie Tablets und Smartphones nicht den stationären Zugang, sondern sie schaffen neue Nutzungssituationen. Bereits 13 Prozent der Fernsehzuschauer nutzen gelegentlich neben dem Fernsehen den „Second Screen“ des Smartphones, des Tablet oder des Laptops.

Während Smartphones besonders beliebt bei den Unter-30-Jährigen sind, sind Tablets, die inzwischen in 8 Prozent der deutschen Haushalte vorhanden sind, die Domäne der 30- bis 49-Jährigen. Tablet-Nutzer bewegen sich anders im Netz als Smartphone-Nutzer. Bei Smartphone-Nutzern steht die Kommunikation über soziale Netzwerke, bei Tablet-Nutzern der Abruf von Websites und die E-Mail-Kommunikation im Vordergrund.

Zur Pressemitteilung der ARD-ZDF-Onlinestudie 2012

Liegt die Zukunft im Paid Content?

Paid content zur Rettung des klassischen Verlagsmodells wird wieder intensiv diskutiert, seit es kostenpflichtige Apps gibt. Heinz Wittenbrink hat dazu auf der Basis zweier Tweets einen nachdenklichen Blogbeitrag verfasst. Er schreibt, die kostenpflichtige iPad-App des Daily und die ebenfalls kostenpflichtige iPad-Version der Huffington Post seien in der Krise. Murdochs Daily habe ein Drittel des Personals entlassen, die Huffington Post, jetzt Teil von AOL, werde in Zukunft auch auf dem iPad gratis sein.

Laut Heinz Wittenbrink stehen sich die beiden Modelle – das klassische Verlagsmodell einerseits, das Kuratieren von Social-Media-Inhalten andererseits – gegenüber. Aber: „Für das Twitter-Modell ist nur wichtig, dass die Inhalte nicht voneinander abgeschottet werden, dass Leser und andere Publizisten (beide sind im Netz tendenziell dasselbe) die Inhalte weiterverwenden können.“

Die „Expanded Tweets“, mit denen Twitternutzer auch Texte und Multimediainhalte in einer Vorschau sehen können, ohne dem Link zu folgen, sieht Wittenbrink als Chance für redaktionelle Inhalte in Zeiten des sozialen und mobilen Webs. Sein Fazit: „Der Versuch ist interessanter als alle die Magazin- und Zeitungsapps, die jetzt schon so alt aussehen wie die CD-ROMs aus den 90er Jahren.“

Demgegenüber sieht der Präsident des Zeitschriftenverlegerverbands BDZV Helmut Heinen die Zukunft im Paid Content. Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sagte er: „Es wird weiter in Richtung Bezahlinhalte gehen.“

Zum Blogeintrag von Heinz Wittenbrink
Heinen: Paid content bleibt Trumpf

Internationaler Vergleich: Wie Journalisten twittern

Wie twittern Redaktionen? Gibt es nationale Unterschiede? Das Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung (IPMZ) der Universität Zürich untersuchte in einer Studie die Twitter-Accounts von 39 Nachrichtenmedien aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und den USA – Zeitungen, Fernsehsender, Onlinemedien und Nachrichtenagenturen.

Ergebnis: Am häufigsten twitterten britische Redaktionen. Leitmedien versandten fast fast doppelt so viele Tweets wie Boulevardmedien. Nur etwa ein Fünftel der untersuchten Mitteilungen enthielt Hashtags.

Insgesamt nutzen die Redaktionen vor allem der Mittelmeerländer, aber auch in Deutschland und der Schweiz das Potential von Twitter nur zu einem geringen Teil aus.
Für Journalisten ist Twitter einfach ein weiterer Kanal zur Verbreitung der Beiträge. An zweiter Stelle steht das Kommentieren von Ereignissen und der Berichterstattung.

Abstract (engl.): The study analyzes the adoption and use of the microblogging platform Twitter by newspapers and television stations. The results of a content analysis show that the use of social bookmarking tools on news organizations’ websites and the adoption of Twitter have become important tools in the news distribution. However, the study also reveals that news organizations rarely use Twitter as a community-building tool and that shovelware still dominates the Twitter feeds. The use of the main Twitter channels has not developed beyond the utilization as a promotional tool.
Zum Bericht beim European Journalism Observatory (dt.)
The study „Shoveling tweets“ (engl.)

So funktionieren Social Media Strategien


Was ist neu und anders an Social-Media-Strategien gegenüber klassischen PR-Strategien? Gleich mehrere aktuelle Blogbeiträge und Veröffentlichungen stellen fest: Eine gute Social-Media-Strategie muss in die gesamte PR-Strategie der jeweiligen Organisation eingebettet sein. Mirko Lange hat für diese Erkenntnis die hübsche Bezeichnung „Social Centric Strategy“ gefunden. Er schreibt: „Wenn das Unternehmen beispielsweise über die Strategie „Kompetenzführerschaft“ Absatz und die Marktanteile steigern will, dann ist auch selbstverständlich, dass diese Strategie nicht nur über Social Media verfolgt, sondern konsequent nach innen und außen auch durch andere Maßnahmen getrieben wird – zum Beispiel extern durch Medienarbeit sowie “Speakers Placement” und intern durch beispielsweise Experten- und Know-how-Aufbau.“ Seinen erweiterten Strategiekreis habe ich hier verlinkt.

Langes Überlegungen liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Social Media an eine bereits bestehende, übergreifende Strategie angedockt sein muss. Sonst bleibe Social Media nur eine Maßnahme, die strategisch in der Luft hänge. Mirko Lange bemerkt (und das kann man nicht of genug sagen):“Mehr verkaufen wollen” ist genauso wenig eine Strategie wie “mehr Bekanntheit haben wollen”! Zum Blogeintrag von Mirko Lange auf talkabout.de

Warum sollte ein Nutzer Ihrem Unternehmen bei Twitter folgen oder ein Fan Ihrer Gruppe bei Facebook werden? Welchen Nutzen hat er davon? Die Frage nach dem Nutzwert der Social-Media-Angebote eines Unternehmens stellt Christian Maass in seinem Blog Netzbaron.de.

Sonja Salmen, Professorin für E-Strategie und Electronic Business an der Hochschule Heilbronn, rät Unternehmen und Institutionen zur Arbeit mit sozialen Netzen. Ihre Empfehlungen überraschen mit der Forderung „Demokratie wagen“ und basieren auf der klassischen Public-Relations-Strategie:
1. Erfahrung sammeln, das Image erkunden
2. Ziele definieren
3. Zielgruppen und Kanäle wählen
4. Struktur und Abläufe festlegen
5. Inhalte definieren
6. Demokratie wagen
7. Ergebnisse und Dienstleister kontrollieren.
Beitrag auf absatzwirtschaft.de mit weiterführenden Links u.a. zu Controlling-Instrumenten.

Storytelling ist für Robi Lack dabei zentraler Bestandteil. Welche Geschichte soll via Social Media erzählt werden? Ein gutes Storytelling verfüge über einen Spannungsbogen, wirke sympathisch, wecke Emotionen und zeige Wirkungen. Und das, so Robi Lack, seien die Grundelemente der sozialen Medien, die auf Kommunikation und Austausch setzen und Produkte oder Dienstleistungen zum Positiven verändern möchten. Für ihn gehören interessante Inhalte ebenso zum Storytelling wie das Eingehen auf die Rückmeldungen aus der Community: „Erzählen Sie (wahre) Geschichten, die bei den Interessenten im Kopf Bilder auslösen.“ Mehr dazu in seinem Blogeintrag für digiprodukte.ch.

Social Media-Richtlinien bauen auf der Social Media-Strategie und den damit verbundenen Zielen des Unternehmens auf. Die Richtlinien sollten definieren, welche Ziele damit verfolgt werden, in welchen Kanälen welche Inhalte kommuniziert werden sollen bzw. dürfen und welche Zielgruppen adressiert werden. Der Ratgeber des Branchenverbands BITKOM nennt unter anderem folgende Elemente für gute Social-Media-Guidelines:

  • Abgrenzung zwischen beruflicher und privater Nutzung
  • Kenntlichmachung einer privaten Meinung
  • Einhaltung gesetzlicher Vorgaben
  • Kontinuität und Kapazität
  • Monitoring.

Zu den BITKOM-Empfehlungen zu Social Media Guidelines.