Interviewsituation
Interview mit Dr. Thomas Leif
Vorstand Netzwerk Recherche e.V.
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Dr. Thomas Leif
Dr. Thomas Leif moderiert die politische Talkshow "2+LEIF"

Herr Dr. Leif, Ihr Verein fördert die intensive Recherche und den hintergründigen Journalismus. Im Buch von Mario Müller-Dofel geht es um die Qualitätsverbesserung von Interviews. Wo sehen Sie Überschneidungen?
Interviews sind wesentliche Werttreiber für Qualitätsjournalismus. Ergiebige Informanten haben ein genaues Gespür in der Einschätzung der Journalisten, mit denen sie arbeiten. Deshalb ist die gründliche Vorbereitung auf die Person und das Thema das A und O. Wer klare Informationsziele erarbeitet, das Chancenpotential der Interviewpartner solide einschätzt und über ein klares Fragekonzept verfügt, wird mehr journalistische Substanz generieren. Der Lohn der Mehrarbeit: bessere Texte, interessantere Gespräche und hohe Qualität.

Mario Müller-Dofel bemängelt in seinem Buch, dass PR den Journalismus infiltriert. Sehen Sie das auch so?
Zwei Tendenzen sind auffällig. Erstens versuchen Pressesprecher in nahezu allen Bereichen mit allen denkbaren Tricks das Frage- und Antwortverhalten im Interview zu steuern. Das Repertoire reicht von Fragevorlagen über das Zurückziehen von Antworten auf ein Statement bis zu komplett umfrisierten Antworten – in manchen Fällen sogar die Rücknahme des Interviews. Solche "Techniken" wenden selbst Pressesprecher von Ministerien und Behörden an, die nach den Landespressegesetzen der Auskunftspflicht unterliegen. Zweitens: Gewiefte PR-Leute sind zum Teil noch dreister. Ihnen geht es nur darum, ihre Botschaft zu vermitteln und kritische Fragen zu unterbinden. Kommunikationssteuerung prägt das professionelle Selbstverständnis der meisten PR-Leute. Sie stehen damit im Gegensatz zum journalistischen Auftrag. Die Konsequenz: Offene, ungefilterte Interviews zu heiklen Themen sind meist unerwünscht.

Hat sich das Interviewverhalten der Journalisten geändert, um diesen Tendenzen entgegenzuwirken?
Das kann man pauschal nicht beantworten. Nach wie vor gibt es hervorragende Interviews, klare Rückfragen und präzise Zuspitzungen. Wie im gesamten Journalismus muss man leider auch eine vermehrte Zahl von Mikrophonhaltern diagnostizieren, denen ihre eigenen Fragen offenbar gar nicht wichtig sind. Denn sie nehmen ihre Frage im Interview gar nicht mehr auf. Die Spitze des Eisbergs kann man jeden Tag auf der Fraktionsebene des Deutschen Bundestages besichtigen. Renommierte Medien schicken ihre Techniker zum Ort des Geschehens und lassen alles einsammeln, was von anderen Kollegen gefragt wird. Dieses O-Ton-Fishing ist mittlerweile schon eine journalistische Landplage.

Und wie verhält sich die nachwachsende Journalistengeneration?
Sehr gut und sehr schlecht. Auch hier ist eine pauschale Antwort unmöglich. Wir müssen in Deutschland die Gleichzeitigkeit von höchster journalistischer Qualität und unerträglichem Trash feststellen. Viele junge Kolleginnen und Kollegen sind extrem lernbegierig. Andere wollen nur "was mit Medien machen".

Erzählen Sie doch bitte von Ihrem interessantesten Interview!
Meine größte Herausforderung war eine große Reportage über den Bild-Kolumnisten Franz-Josef Wagner. Die Vorbereitungen und wiederholten Ablehnungen zogen sich über zwei Jahre mit zig Anbahnungsgesprächen bis früh morgens um vier Uhr hin. Wagner lehnt nämlich TV-Interviews ab und hat bislang auch Dutzende von Talkshow-Anfragen zurückgewiesen. Am Ende ist es doch gelungen, ihn zu interviewen. Alle anderen TV-Interview-Anfragen hat er danach wieder abgelehnt. In meiner neuen Talk-Show "2+LEIF" im SWR Fernsehen gab es auch einige Politiker-Interviews, die meine eigenen Ansprüche durchaus erfüllt haben.

Ihr Verein veröffentlicht auf seiner Website www.netzwerkrecherche.de zehn Lageeinschätzungen und Lösungsansätze zum Thema "investigativer Journalismus". Welches Ziel des Vereins Netzwerk Recherche gilt es vordringlich zu erreichen?
Alle unsere kompakten Ziele sind wichtig. Aber an der Spitze bleibt natürlich das Kernziel: Recherche fordern und fördern.


Das Interview führte Falk Diehl.


Vita
Dr. Thomas Leif, geboren 1959, ist Chefreporter beim SWR Fernsehen in Mainz. Er arbeitet als Moderator der Sendung "2+LEIF" und setzt sich als Vorsitzender von Netzwerk Recherche für Qualitätsjournalismus ein. Leif ist Bestseller-Autor. Mit seinem Buch "beraten und verkauft; McKinsey und Co, Die Tricks der Unternehmensberater" stand er monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste. 2009 erschien sein Buch "angepasst und ausgebrannt; Parteien in der Nachwuchsfalle."
 



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