Cover des Bandes Special Interest aus der Gelben Reihe Journalistische Praxis

Interview mit Marcus Anhäuser, leitender Redakteur des Portals www.medien-doktor.de

Marcus Anhäuser
Quelle: Marcus Anhäuser

Worum geht es beim Medien-Doktor genau?

Marcus Anhäuser: Wir bewerten journalistische Beiträge nach einem festgelegten Kriterienkatalog. In Deutschland sind wir die Ersten und Einzigen, die diese Art von Monitoring durchführen, aber wir haben das nicht erfunden. Schon vor sechs oder sieben Jahren gab es in Australien ein gleichnamiges Portal.

Welche Ziele haben Sie sich mit diesem Portal gesetzt?

Marcus Anhäuser: Wir erstellen detaillierte Gutachten nach einem Katalog von 13 verschiedenen Kriterien. Wir untersuchen, ob alle Punkte adäquat berücksichtigt werden. Wir wollen den Journalisten eine Art Geländer anbieten, an dem sie sich orientieren können. Der Medizinjournalismus ist der Bereich innerhalb des Wissenschaftsjournalismus, über den am meisten geschrieben wird. Uns geht es hier nur um die Bewertung von Publikationen zu medizinischen Therapien. Andere Beiträge, etwa die beliebten Ratgeber-Artikel, stehen nicht in unserem Fokus.

Wer steht hinter dem Medien-Doktor?

Marcus Anhäuser: Die Gutachter sind allesamt namhafte Redakteure oder Freelancer, die voll im Job stehen und selbst publizieren. Fast alle haben schon ihre Preise eingeheimst. Wir machen das nebenher, sozusagen für die Ehre.

Screenshot medien-doktor
Quelle: Eva M. Schmied

Welche Ergebnisse zeichnen sich bis heute ab?

Marcus Anhäuser: Bisher haben wir rund 130 Bewertungen vorgenommen. Es hat sich gezeigt, dass die Kriterien sehr unterschiedlich erfüllt werden. Ziemlich schlecht schneidet beispielsweise der Faktor „Nutzen für den Leser“ ab. Rund drei Viertel der Artikel stellen nicht klar dar, welchen Nutzen der Leser beziehungsweise der Patient aus der neuen Therapie ziehen soll. Ausdrücke wie „Die Methode ist sanfter“ oder „Die Zahl der Erkrankungen könnte um 50 Prozent zurückgehen“ sagen ohne eindeutig genannte Bezugsgröße nichts aus.

Gibt es Empfehlungen für angehende Journalisten, die Sie aus diesen Erkenntnissen ableiten?

Marcus Anhäuser: Ein wichtiger Punkt ist das Kuratieren. Das bedeutet, dass jeder Journalist eigenverantwortlich seine Themen verwaltet. Er entscheidet, worüber er berichtet und welchen Quellen er hierbei vertraut. Mit Hilfe unserer Qualitätskriterien soll er eine Hilfestellung erhalten, worauf er achten muss. Unsere 13 Kriterien können wie eine Checkliste verwendet werden.

Wie ist Ihr Qualitätsanspruch mit dem redaktionellen Alltag vereinbar?

Marcus Anhäuser: Wir alle kennen den Arbeitsalltag mit seiner Zeitknappheit. Wir wissen auch, wie schwer es manchmal ist, einen geeigneten Experten zu finden. Beim Monitoring bewerten wir grundsätzlich aus Rezipientensicht, also vom Ergebnis her. Unter welchen Bedingungen der Beitrag entstand, wissen wir meistens gar nicht. Der Leser hat für uns ein Recht auf fundierte und brauchbare Informationen, unabhängig vom Medium. Es ist für uns unwesentlich, ob der Artikel in „Der Zeit“ oder in einem Lokalblatt erschien.

Welche Entwicklungen sehen Sie für den Wissenschaftsjournalismus in den nächsten Jahren?

Marcus Anhäuser: Diese Frage ist schwer zu beantworten. Es ist auf jeden Fall ein wunderbarer Bereich, um sich auszutoben. So gilt es beispielsweise, neue Erzählformen zu finden, die der Leserschaft wissenschaftliche Themen nahebringen. Möglicherweise wird es neue Magazine auf dem i-Pad geben, aber ein klarer Trend ist nicht abzusehen.

Welche Ausbildungsschwerpunkte empfehlen Sie dem Nachwuchs?

Marcus Anhäuser: Ich empfehle einen di- oder sogar trimedialen Ansatz. Jeder Wissenschaftsjournalist sollte einen Podcast oder Videobeitrag zumindest einmal mitgeschnitten haben, damit er weiß, welcher Aufwand damit verbunden ist. Außerdem sollte sich jeder zumindest in einem Spezialgebiet sehr gut auskennen. Man muss sich schließlich über eine lange Strecke mit einer Thematik befassen, da sollte es einen schon wirklich interessieren.

Herr Anhäuser, vielen Dank für das Gespräch.