Cover des Bandes Special Interest aus der Gelben Reihe Journalistische Praxis

Grenzgänger zwischen Journalismus und PR

Klaus Honigschnabel

Klaus Honigschnabel
Quelle: Innere Mission München

Anja Stumpf und Esther Grunert sprachen mit Klaus Honigschnabel, dem  Leiter der Unternehmenskommunikation der Inneren Mission (IM) München. Der evangelische Theologe war nach einem Volontariat beim  Evangelischen Presseverband und einer Tätigkeit als Öffentlichkeitsreferent der Evangelischen Akademie Tutzing Seminarleiter an der Akademie der Bayerischen Presse (ABP), wo er viele PR-Seminare verantwortete. Er ist Mitbegründer von BISS, dem ersten deutschen Obdachlosenmagazin.

 

Herr Honigschnabel, welche Aufgaben haben Sie als Leiter der Unternehmenskommunikation in einem konfessionell gebundenen Wohlfahrtsverband wie der Inneren Mission München?

Klaus Honigschnabel: Wohlfahrtsverband klingt fast ein bisschen zu beschaulich. Wir sind ein Unternehmen im Sozialen Sektor, das in der kompletten Bandbreite der Sozialen Arbeit tätig ist, natürlich geprägt vom diakonischen Auftrag der evangelischen Kirche. Die Innere Mission  betreibt in München zahlreiche Kitas, Alten- und Pflegewohnheime, engagiert sich in der Jugendhilfe, in der Migranten- und Behindertenarbeit, um nur einige Schwerpunkte zu nennen. Zusammen mit unserem zweiten Geschäftsbereich in Herzogsägmühle beschäftigen wir rund 3000 Mitarbeiter, ein typischer Mittelständler also.

Dementsprechend wenig unterscheiden sich unsere Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit von denen anderer Unternehmen, vielleicht sind wir personell und finanziell nicht ganz so gut aufgestellt. Wir betreiben klassische Pressearbeit, sind für den Internetauftritt verantwortlich und leisten uns mit dem vierteljährlich erscheinenden Diakonie-Report ein aufwendig gestaltetes Printmedium, das sich sowohl an die interessierte Öffentlichkeit als auch an unsere Mitarbeiter wendet. Einmal im Jahr erscheint der aufwändige Jahresbericht, für den ist meine Stabsstelle verantwortlich.

Alles, was mit Gestaltung zu tun hat, vergeben wir an externe Dienstleister. Die Zeiten, in denen man als sozialer Träger ein paar schief kopierte Flyer unters Volk bringen konnte, sind definitiv vorbei. Professionelle Gestaltung geht einher mit der fachlichen Professionalität und für die steht die IM München. Nicht zuletzt ersetzt gelungene Öffentlichkeitsarbeit für uns in gewisser Weise auch Fundraising. Natürlich ist man in der Unternehmenskommunikation immer auch ein bisschen Mädchen für alles, wir organisieren Events und richten einmal im Jahr die Verleihung des Karl-Buchrucker-Preises aus.

Sie haben vor Ihrer Aufgabe bei der Inneren Mission München die PR-Kurse der Akademie der Bayerischen Presse verantwortet, sind Experte im Bereich PR. Sehen Sie die Notwendigkeit spezieller Ausbildung für den Bereich PR im religiösen, beziehungsweise dem wohlfahrtsverbandlichen Umfeld?

Klaus Honigschnabel: Existentiell sind für mich zwei Sachen: Jemand muss die Leidenschaft für das Thema haben und das journalistische Handwerk beherrschen. Schon in meiner Zeit als Journalist habe ich mich für soziale Themen, für Lebensgeschichten von Menschen begeistert. Diese Begeisterung muss ich weiter geben können. Damit meine Botschaft beim Leser ankommt, muss ich das Handwerk aus dem ff können, griffige Pressemitteilungen schreiben, textsicher sein und vor allem Texte von Mitarbeitern und Fachleuten ohne journalistische Vorbildung so redigieren, dass sie beim Leser gut verständlich ankommen.

Wie wichtig ist für Sie crossmediales Arbeiten, insbesondere Social media?

Klaus Honigschnabel: Hier ist die IM München noch nicht besonders aktiv. Unsere Hauptspendergruppe  geht von sechzig aufwärts. Diese Generation ist bisher weniger in sozialen Netzwerken unterwegs. Natürlich ist das kirchliche Umfeld vielleicht auch etwas konservativer, da hält sich die Begeisterung für Facebook und Co. noch in Grenzen. Wir wissen aber, wie wichtig es ist, Jugendliche zu erreichen und langfristig für die Arbeit der Inneren Mission zu begeistern. Als eine Art Social Media Pilot-Projekt planen wir daher eine job-career Seite auf Facebook, um Jugendliche über unsere Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich der Altenpflege und von Erziehern  zu informieren.

Sie arbeiten für einen sozialen Träger, der Teil der Institution Kirche ist – ist das manchmal schwierig?

Klaus Honigschnabel: Ich empfinde dieses Eingebundensein positiv. Natürlich gibt es gegenseitige Rücksichtnahme, aber Kirche und Diakonie sind voneinander unabhängig. Auch die Diakonie ist sehr föderal aufgestellt, allein in München gibt es 85 ganz unterschiedlich große Diakonische Träger. Natürlich gibt es bei gesellschaftspolitischen Diskursen manchmal unterschiedliche Auffassungen, das bringt aber das Bekenntnis zur „evangelischen Vielheit“, die  ich sehr zu schätzen weiß, einfach mit sich.

Daniel  Meier beschreibt im Fachbuch „Special interest“ Religionsjournalismus als kein so klar umgrenztes Thema wie beispielweise Reisejournalismus, sondern ressortübergreifend präsent. Was bedeutet das für die Unternehmens-PR eines konfessionell gebundenen Trägers?

Klaus Honigschnabel: Das bedeutet vor allem, die Vielfalt des evangelischen Unternehmens Innere Mission München in den verschiedenen Ressorts unterzubringen. Nehmen wir zum Beispiel Wirtschaft: Caritas und Diakonie sind die größten deutschen Arbeitgeber, aber wer weiß das schon? Oder nehmen wir unsere Secondhand-Läden und das Gebrauchtwarenhaus, die die Diakonia, eines unserer Tochterunternehmen, in München betreibt. Die haben eine große beschäftigungspolitische Dimension. Und dieses Thema sähen wir gerne mal von der wirtschaftspolitischen Seite her beleuchtet.

Stichwort Krisen-PR: Auch Institutionen der Inneren Mission standen wegen des Umgangs mit Heimkindern in der Kritik. In Büchern wie „Schläge im Namen des Herrn“ des Spiegel-Journalisten Peter Wensierski wurde konfessionelle Pädagogik als solche in Frage gestellt. Vor kurzem ging der Suizidversuch eines jugendlichen Asylbewerbers aus Afghanistan durch die Presse, der durch einen Sozialbetreuer der Inneren Mission in letzter Minute vereitelt werden konnte. Wie reagiert man in solchen Situationen als Pressesprecher?

Klaus Honigschnabel: Agieren statt Reagieren ist das Grundprinzip jeder Krisen-PR, ganz gleich für welche Branche man arbeitet. Transparenz und Offenheit haben oberste Priorität.

Obwohl in dem Buch „Schläge im Namen des Herrn“ Einrichtungen der Inneren Mission München gar nicht genannt werden, haben wir nach dessen Erscheinen gleich einen Aufruf über die Medien gestartet, um ehemalige Heimkinder zu erreichen, die in unseren Einrichtungen untergebracht waren. Die Resonanz war riesig – die Schicksale der Betroffenen und die Erinnerungen an ihre Zeit im Heim waren sehr unterschiedlich. Während einige das Heim als Zufluchtsort vor einem gewalttätigen Elternhaus empfanden, war es für andere ein Ort, an dem jeder verbrachte Tag einer zu viel war. Wir beschlossen, den ehemaligen Heimkindern der Inneren Mission eine Stimme zu geben und widmeten ihnen und ihren Lebensgeschichten einen Schwerpunkt in einer Ausgabe unseres Diakonie-Reports. Fünf ehemalige Heimkinder nahmen auf Einladung der Inneren Mission München auch an der Veranstaltung in Berlin teil, bei der sich Kirche und Diakonie nach dem Abschluss des Runden Tischs „Heimkindererziehung“ offiziell entschuldigten.

Auch im Falle des jungen Flüchtlings aus Afghanistan war es wichtig, sofort mit einer Erklärung an die Presse zu gehen. Ich weiß, dass unsere Mitarbeiter gute Arbeit leisten, bei der es nichts zu vertuschen gibt. Journalisten schätzen, wenn sie man sie offen informiert. Wer in der Krise zum Presseschweiger mutiert, verspielt schnell die Reputation, die er sich über lange  Zeit hinweg aufgebaut hat.

In einem Unternehmen wie der Inneren Mission, das in großem Rahmen mit Menschen in sozialen Schwierigkeiten zu tun hat, muss man als Pressesprecher einfach damit rechnen, dass es zu Krisensituation kommt. Wir haben es oft mit Menschen zu tun, die das Leben aus der Bahn geworfen hat. Aber nach unserem Selbstverständnis sind alle Menschen Geschöpfe Gottes, niemand darf von der Gesellschaft fallen gelassen werden.

 

Herr Honigschnabel, vielen Dank für das Gespräch.

Anja Stumpf, Esther Grunert