Cover des Bandes Special Interest aus der Gelben Reihe Journalistische Praxis

Journalist heißt: Es genauer wissen zu wollen!

Wer als Volontär oder Jungredakteur bei Tim Jürgens, dem Stellvertretenden Chefredakteur des Fußballmagazins „11 FREUNDE“, anheuern will, braucht Neugierde, Sammelleidenschaft und Hartnäckigkeit. Für Niels Körner, Leiter von „SPORT Bild online“, müssen jungen Kollegen das Gefühl für die richtige „Temperatur“ einer Nachricht oder einer Geschichte haben. Nicht die einzigen Voraussetzungen für einen Arbeitsvertrag, wie Jörg Wagner erfuhr.

Welche Qualifikationen wünschen Sie sich von einem Volontär bzw. Jungredakteur, der sich bei Ihnen bewirbt?

Niels Körner, „SPORT BILD online“: Das Talent zum Schreiben muss in den Arbeitsproben klar erkennbar, die Begeisterung für den Sport im Lebenslauf tief verankert sein. Bei aller Neutralität und Objektivität halte ich es für wichtig, dass ein Sport-Berichterstatter auch Leidenschaft für den Sport mitbringt. Wer Begeisterung transportieren möchte, sollte selbst auch Begeisterung empfinden – solange dabei nicht das Urteilsvermögen beeinflusst wird.

Tim Jürgens, „11 FREUNDE“: Unsere Erfahrung zeigt, dass journalistische Vorkenntnisse, die bei freien Tätigkeiten und Praktika erworben wurden, bei der redaktionellen Arbeit essenziell wichtig sind. Außerdem: Wer schon Erfahrungen aus anderen Redaktionen mitbringt, hat in der Regel auch keine Probleme, sich in unser Team einzufügen. Ein abgeschlossenes Studium ist bei uns kein Muss, aber die längerfristige Beschäftigung mit einem Thema und die schriftliche Niederlegung dessen, so wie bei einer Abschlussarbeit üblich, ist bestimmt nicht von Nachteil für die journalistische Arbeit.

Was, neben den fachlichen Qualifikationen, muss ein guter Sportjournalist, ein guter Reporter auf jeden Fall mitbringen?

Niels Körner: Er oder Sie muss zwingend das Gefühl für die richtige „Temperatur“ einer Nachricht oder einer Geschichte haben, Sachverhalte richtig einschätzen und auch die richtigen Schlüsse ziehen können – und das alles möglichst schnell, intuitiv. Im Berufsfeld des Online-Redakteurs gibt es keine klassischen Andruckzeiten. Für uns heißt das: Sobald eine Nachricht auf dem Markt ist, muss schnell, dabei aber präzise gearbeitet werden.

Tim Jürgens: Der Wunsch als Journalist zu arbeiten, sollte also nicht nur aus dem Anschreiben der Bewerbung, sondern auch aus dem Werdegang ablesbar sein. Zudem sollten die eingereichten Textproben zeigen, dass ein Bewerber neben seiner Liebe zum Fußball auch über vielfältige andere Interessen verfügt und eine zeitgemäße Schreibe besitzt, die ihn mittelfristig befähigen, humorvolle und investigative Texte, lange Reportagen und schnelle Internetideen gleichermaßen zu realisieren.

Für „11 FREUNDE“ als dem „Magazin für Fußball-Kultur“ ist es wichtig, den Sport als kulturelles Phänomen zu verstehen und in Relation zu anderen gesellschaftlichen Bereichen zu setzen. Fundiertes Fußballwissen und ein Gefühl für das Thema ist natürlich obligatorisch, aber Journalismus heißt auch, es genauer wissen zu wollen. Die aktuelle Fußballberichterstattung hat aufgrund der extremen Konkurrenz eine unglaubliche Taktung gefunden. Viele Beiträge können aufgrund der Geschwindigkeit, in der sie entstehen, nur noch Schlaglichtcharakter haben. Damit wir als Monatsmagazin einen Mehrwert zur täglichen Berichterstattung schaffen können, braucht unser Reporter neben Neugierde, Sammelleidenschaft und Hartnäckigkeit, also auch das Bewusstsein, bei seiner Arbeit hinter die Fassade der schnellen Bewertung schauen zu wollen.

Was können Sie jungen Kollegen oder Berufseinsteigern raten, die im Sport-Ressort arbeiten möchten?

Niels Körner: Ein breites Sportwissens-Spektrum – von der NHL bis zur Primera División, von Boxen bis Volleyball – ist Grundvoraussetzung. Darüber hinaus ist es vor allem wichtig, sich auf ein Themengebiet zu spezialisieren, sei es auf die NBA, Reitsport oder die 2. Fußball-Bundesliga. Geschichten in diesem Spezialgebiet führen dann immer über den eigenen Schreibtisch. Motto: Die eigenen Stärken in den Vordergrund stellen, sich selbst unverzichtbar machen.

Und, auch wenn es banal klingt: Berufseinsteiger sollten immer Fragen stellen, gerade auch solche, die möglicherweise unangenehm für den Fragesteller oder unbequem für den Befragten sind. Es sind oft die Antworten auf diese Fragen, die einen in der persönlichen Entwicklung weiterbringen.

Zudem wird es gerade in Zukunft wichtig sein, offen gegenüber Neuem zu sein. Vor allem die sozialen Netzwerke haben die täglichen Arbeitsprozesse in den vergangenen Jahren stark verändert – und das Tempo, mit dem Veränderungen in den Berufsalltag einfließen, wird sicher nicht abnehmen.

Tim Jürgens: Man sollte den Wunsch haben, den Fußball und das Milieu dahinter zu verstehen und dabei in der Lage sein, nicht zu vergessen, dass dort Menschen am Werk sind. Die journalistische Bewertung im Profifußball neigt mitunter zu vorschnellen Überspitzungen. „11 FREUNDE“ versucht sich hingegen eine unzynische Annäherung an den Fußball zu bewahren – und die sollte meines Erachtens auch ein Journalist haben. „11 FREUNDE“ ist ein ständig lernendes System. Es gibt viele Plattformen, auf denen Fußball bei uns stattfindet – angefangen beim Heft über den Internetauftritt bis hin zur Merchandiselinie – insofern sind den journalistischen Ausdrucksformen wenig Grenzen gesetzt. Wenn ein neuer Kollege teamfähig ist und Lust und die Bereitschaft hat, sich auf jedwede Spielart von „11 FREUNDE“ einzulassen, kann es ein Traumjob sein.