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Werner Dieste

Dem Programm Profil geben

 
In einem stark besetzten Hörfunkmarkt müssen Programme unterscheidbar bleiben oder werden, sich also auch bei identischem Format und ähnlichen Zielgruppen voneinander abheben.

Dafür brauchen sie ein eigenes Profil, also eine Differenzierung des Angebots innerhalb des Formats.
Hier geht es vor allem um die Profilierung des Programms im Wort-Bereich, also bei den Inhalten, die das Arbeitsgebiet der Radio-Journalisten sind. Hierbei kann es sich einerseits um eine formale Unterscheidung (»Wir senden die Nachrichten immer fünf vor um«) oder/und eine inhaltliche Profilierung (»Wir sind der Heimatsender, bei uns sind Sie zu Haus«) handeln.
Ergänzende Überlegungen dazu finden sich auch im Beitrag »Formate für Begleitprogramme« des Econ-Buchs »Radio-Journalismus«. Wie ein Profil wirksam innerhalb und außerhalb des Programms herausgestellt wird, steht im Online-Plus-Beitrag »Programm-Promotion«.

Das Profil beim Wort ist wichtig, wenn ein Sender mehr sein will als ein Musikradio. Formale Unterschiede können vor allem deutlich werden durch

1. mehr Wort im Vergleich zur Musik (vgl. Buch-Beitrag »Formate für Begleitprogramme«/ Musik-Wort-Verhältnis),

2. die besondere Platzierung des Worts (vgl. weiter unten),

3. Zahl und Länge der Sendeplätze,

4. Nachrichten mit O-Tönen oder ohne,

5. Gebaute Beiträge oder Präsentation von O-Tönen durch die Moderatoren (vgl. Buch-Beitrag »Moderieren«),

6. Interviews live (und manchmal dann zwangsläufig auch länger) oder aufgezeichnet (»quasi-live«) und immer auf Formatlänge gekürzt und bearbeitet (vgl. Buch-Beitrag »Interview«),

Inhaltlich können sich Sender durch das Lebensgefühl profilieren, das sie repräsentieren und oft durch einen Slogan ausdrücken: »NDR 2…und das Leben beginnt«; »hr3…voll im Leben«; »Das Ding… alles was Du willst«.
Ein Heimatsender wird auf die Elemente Regionalität, Information und Land setzen; eine Pop-Welle auf »Mehr Biss, mehr Kiss, mehr Witz«. Programme geben mit diesen Profilierungen gleichzeitig auch ein Versprechen dem Hörer gegenüber ab: Sie müssen dieses Versprechen einhalten, wenn sie erfolgreich sein, bleiben oder werden wollen.

Programme, die auf Nachrichten und Information setzen, können dies unterstreichen durch

1. exklusiv recherchierte Meldungen und Berichte,

2. Verwendung von Kernaussagen aus Interviews im Programm in den eigenen Nachrichten,

3. Flash-Meldungen bei wichtigen Ereignissen,

4. profilierte und bekannte Interview-Partner.

Formatspezifische Nachrichten. Ob es darum geht, in einem Kulturprogramm eine Theaterpremiere in den Nachrichten zu melden, oder ob im Rockradio die Deutschlandtournee einer Band angekündigt wird – die Nachrichten tragen zum Format eines Programms bei (vgl. die Beiträge »Nachrichten« und »Nachrichten-Präsentation« im Econ-Buch »Radio-Journalismus«). Deshalb werden sie am besten von einer wellenzugehörigen Nachrichtenredaktion produziert. Kostengünstiger ist es freilich, wenn sie von einer Zentralredaktion formatspezifisch zugeliefert oder möglichst formatnah eingekauft werden.

Exklusiv-Meldungen an die Agenturen geben. Die journalistische Kompetenz eines Programms wird dadurch wirksam herausgestellt, dass auch andere Medien Recherche-Ergebnisse oder Interview-Antworten mit Nachrichtenwert weiterverbreiten. Der Abdruck mit Quellenangabe in den Zeitungen am nächsten Tag unterstreicht das Informationsprofil des Senders und ist ein Beitrag zum publizistischen Wettbewerb.

Profilieren mit Sport. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern bietet sich dafür der von Fußball-Fans überaus geschätzte Klassiker »Bundesliga-Konferenz« an. Weitere Möglichkeiten sind: Sport-Meldungen werden regelmäßig im laufenden Programm als Flash gebracht, die Sport-Prominenz gehört zu den Studiogästen und Interviewpartnern, es gibt Sondersendungen bei sportlichen Höhepunkten, Fan-Reisen zu Sportereignissen, der Sender selbst veranstaltet/präsentiert Sport-Events und macht Radio-Spiele zu Sportergebnissen (»Bundesliga-Tipp«).

Thementage und Themen-Aktionen tragen ebenfalls zum Wort-Profil bei. »Ein Tag – ein Thema« beantwortet z.B. täglich eine Hörerfrage. Der Redakteur recherchiert die Antwort und berichtet regelmäßig im Programm über die Zwischenstände. Die Antwort ist auch programmbegleitend online zu finden. Thementage sind zu Service und aktuellen Ereignissen ebenso möglich wie zum (mal wieder sehr heißen oder kalten) Wetter. Aktionen können z.B. dabei helfen, Lehrstellen zu vermitteln, Geld für einen guten Zweck zu sammeln, die Hörer auf Trab oder preiswert in die Ferien zu bringen (vgl. Buch-Beitrag »Radio-Aktionen«).

Feste Sendeplätze gehören zum Profil. Auch wenn ein massenattraktives Radioprogramm ein Begleitmedium ist, gibt es doch Programm-Inhalte, die als Fix-Punkte Orientierung liefern und auffindbar sein müssen. Das sind zu allererst die Nachrichten (um voll, fünf vor oder um halb) und der Service (Wetter, Verkehr, Veranstaltungstipps). Auch weitere Informationsangebote wie aktuelle Tagesberichterstattung, Sport und Börse können dazugehören.

Service-Infos erhöhen den Nutzwert eines Programms und sind deshalb gut geeignet, das Wort-Profil zu schärfen:

1. Verkehr: Die Meldungen kommen aus einer speziellen Verkehrsredaktion mit eigenen Sprechern/Präsentatoren; Hörer werden als Staumelder einbezogen und ergänzen die langsamen und fehlerhaften Staumeldungen der Polizei durch eigene Hinweise, geben Blitzer-Meldungen durch (also Warnhinweise auf Radarkontrollen der Polizei),

2. Wetter: Mitarbeiter (vielleicht sogar Meteorologen) werden als »Wetter-Man« aufgebaut und präsentieren regelmäßig einen möglichst genau auf das Empfangsgebiet ausgerichteten Wetter-Service; ein spezieller Wetter-Service wird eingekauft (»Kachelmann-Team«); besondere Wetter-Service-Aktionen vor den Ferien oder vor Feiertagen, Hörer als Wetter-Melder.

3. Experten zu Themen wie Geld, Wohnen, Garten, Gesundheit usw. stehen am Hörertelefon auch für individuelle Beratung zur Verfügung.

Wir präsentieren die Promis: Der Gesellschaftsreporter berichtet über Klatsch und Tratsch von der lokalen, überregionalen und/oder der internationalen Szene. Hoheiten, Schauspieler, Sänger, Sportler und Polit-Prominenz sind besonders häufig im Programm zu hören.

Moderatoren sind wichtige Imageträger des Programms: Sie müssen das Programm verkaufen und mit Kompetenz, Charme, Witz und Zuwendung beim Hörer »ankommen«. Sie müssen sich dabei an das vorgegebene Format halten und sich dennoch als Persönlichkeit profilieren.
Im Personality Radio ist das besonders der Fall. Da trägt der Moderator mit seiner Persönlichkeit die Sendung, macht sie unverwechselbar und wiedererkennbar. Die Sendung ist eine auf ihn zugeschnittene Show; das Gesamtprogramm eine Addition von »Personality-Shows« (vgl. Buch-Beitrag »Formate für Begleitprogramme«).

Personalisierung bestimmter Sendestrecken ist ein Mittel vieler Programme, sich von der Konkurrenz zu unterscheiden. Ein fester Moderator präsentiert zum Beispiel die Morgensendung oder ein Moderationspärchen den Nachmittag. Wenn alle Sender eines Gebiets Programme mit Doppelmoderation fahren, reicht dies natürlich für die Profilierung nicht mehr aus: Damit keine Me-too-Programme entstehen, muss sich der Sender entscheiden: eher seriös, eher geblödelt, eher im Team oder mit einer festgelegten Rollenverteilung (vgl. Buch-Beitrag »Moderieren«).

Das Team herauszustellen, ist auch eine Möglichkeit, dem Programm Profil zu geben: Wir alle machen für Sie Radio, verstehen uns gut, sind eine engagierte und sympathische Crew, machen Spaß, haben eine eigene Band und singen auch mal ein selbst getextetes Lied im Programm, z.B. einen Sommer- oder Weihnachtssong.

Profil durch die Ansprechhaltung, vor allem in der Moderation: z.B. »Duzen« oder »Siezen«? Ist der Moderations-Stil salopp oder nur locker, eher »cool« oder schräg, sachlich-freundlich oder »näher dran«? Gute Laune als Markenzeichen: Gags, Comics, der Brüller des Morgens …

Verpackung profiliert durch die Elemente des Jingle-Pakets: Wird viel oder wenig gejingelt? Wie sehr sollen die Jingles auffallen, sollen sie eher zurückhaltend oder fast marktschreierisch/aggressiv wirken (vgl. Buch-Beitrag »Verpackungselemente«).

Herausstellen der Hörernähe. Die Hörer kommen selbst vor im Programm, z.B. bei Umfragen zu unterschiedlichsten Themen. Über das Hörertelefon haben sie die Möglichkeit, sich mit Anregungen und Informationen direkt an ihr Radio zu wenden. Die Aktion »Menschen des Monats« würdigt die »kleinen Helden des Alltags« und findet sicherlich auch ein Presseecho, wenn sie zum Jahresende in der Wahl der »Menschen des Jahres« gipfelt. Events und Konzerte unterstreichen das musikalische Profil eines Senders nach außen.

Themen und Beiträge aus dem direkten Umfeld der Hörer, aus dem Land und über die Leute, können einen Schwerpunkt im Programm bilden. Durch Auseinanderschalten der Frequenzen werden verschiedene Programmteile (Veranstaltungstipps, Lokalnachrichten, Polizeibericht) gesplittet gesendet – das Radio kommt also ganz nah zum Hörer.
Lokalradios haben hier ihre Stärke. Sie profilieren sich mit Themen aus dem unmittelbaren Erfahrungsbereich ihrer Hörer. Wetter, Verkehr und Polizeiberichte werden konsequent lokal/regional angelegt. Selbst der Hilferuf, einen entflogenen Wellensittich zu suchen, kann aufgezeichnet und dann gesendet werden.

Das Radio als Höreranwalt. Der Sender setzt sich besonders für die Hörer ein: Wir küssen die Behörden wach hieß ein erfolgreiches Programm in Berlin: Hörer berichteten über ihre Kümmernisse und Probleme mit Behörden, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen. Der Sender setzte sich für sie ein. Weitere Beispiele: Spendenaktionen für Katastrophenopfer, oder ganz konkrete Aufrufe, z.B. vor Weihnachten oder zum Winterbeginn dem Obdachlosenheim in der Stadt zu helfen etc. (vgl. Beitrag »Radio-Aktionen« im Econ-Buch »Radio-Journalismus«).

Das Radio zum Mitmachen: Partner- oder Partygäste-Vermittlung, Hörerspiele (per Telefon, E-Mail, Fax und Post), Hausführungen für Hörer-Club-Mitglieder, gemeinsame Gewinnerreisen, Tage der offenen Tür. Morgens werden die Hörer vom Frühteam per Telefon geweckt, abends haben sie die Gelegenheit, ganz persönliche Grüße mit einem Musikwunsch zu verbinden.

Das Radio, das zum Hörer kommt. Täglich ist der Reportagewagen im Sendegebiet unterwegs; im Sommer veranstaltet der Sender eine eigene Tournee (Sommernachtsbälle) durch die größeren Dörfer und kleineren Städte; einmal im Jahr ist die Morningshow live vor Ort und lädt ein zum »Frühstück für ein ganzes Dorf«. Radiomitarbeiter (und zwar möglichst bekannte) besuchen an einem Wochenende Hörer zu Hause. Sie beweisen damit, wie »nah dran« das Programm ist und erfahren ganz nebenbei im direkten Gespräch viel über »den Hörer an sich« und die Wirkung des Programms.

Schwerpunkte bilden. Alle Programme haben viele dieser Elemente immer wieder mal im Programm.
Profil bekommt ein Programm, wenn es sich für einen Schwerpunkt oder für eine Kombination aus diesen Möglichkeiten entscheidet und dies zum Markenzeichen macht – also gezielt und häufig anbietet.
Die übrigen Möglichkeiten tauchen – wenn sie denn für wichtig gehalten werden – auch im Programm auf: als normale Programm-Bausteine, aber eben nicht zur Profilierung.

Schwerpunkte weiterentwickeln. Alle Mitarbeiter müssen das Profil kennen und in der täglichen Arbeit als Moderatoren, Reporter und Redakteure (bis hin zum Hörertelefon) umsetzen. Die Profilierung des Programms ist eine Dauer-Aufgabe.

Das Profil bekannt machen. Tue Gutes und rede darüber: Wenn inhaltliche Schwerpunkte das Programm profilieren sollen, dann muss dieses Profil nach innen und außen kommuniziert werden (vgl.Online-Plus-Beitrag »Programm-Promotion«).

 


Dies ist ein Online+ Beitrag aus dem Buch »Radio-Journalismus«.


 

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