Heiner Apel
Ziel der Informationsvermittlung im Radio ist es, leicht verständliche und gut hörbare Nachrichten über den Äther zu schicken. Im Rahmen des Projekts zur Hörverständlichkeit von Radionachrichten (verständliche Radionachrichten) ergibt sich daraus die Kernfrage, ob die sprachliche und sprecherische Gestaltung der Nachrichten einen Einfluss darauf hat, wie gut oder schlecht Hörer/innen sich an die Nachrichteninhalte erinnern können. Damit wird die Verständlichkeit der Nachrichten geprüft. Die Grundannahme ist, dass die Verständlichkeit von Nachrichten umso höher ist, je mehr Informationen Hörer/innen aus den Nachrichten behalten können.
Hypothesen
Anhand der vier Versionen der Testsendung (verständliche Radionachrichten) werden folgende Hypothesen getestet:
Zur Überprüfung der Hypothesen wurden Fragebogen-Tests durchgeführt.
Testpersonen
Testpersonen waren zu einem großen Teil Studierende der RWTH Aachen und zu einem kleineren Teil Besucher/innen des MDR-Funkhauses in Magdeburg, die sich freundlicherweise bereit erklärt hatten, das Projekt zu unterstützen und am Test teilzunehmen. Insgesamt wurden mehr als 630 Personen befragt.
Testaufbau
Die Testpersonen hörten jeweils eine Version der Testsendung und füllten danach einen Fragebogen aus:
Ein solcher Methodenmix wird in der Verständlichkeitsforschung oft genutzt, um die Erinnerung an Medieninhalten zu messen, und hat sich bewährt.
Testauswertung
Erstens wurde ausgewertet, wie viele Informationen die Testpersonen behalten und wiedergegeben haben.
Zweitens wurde ausgewertet, welche Informationen die Testpersonen behalten und wiedergegeben haben. Diese Daten wurden zur jeweiligen Testsendung in Beziehung gesetzt.
Drittens wurde ausgewertet, welche Multiple-Choice-Fragen die Testpersonen richtig oder falsch oder gar nicht beantwortet haben. Auch diese Daten wurden zur jeweiligen Testsendung in Beziehung gesetzt.
Testergebnisse
Grundsätzlich werden die Hypothesen durch die Daten bestätigt, wenn auch nicht stark ausgeprägt (Diagramm 1).
Diagramm 1: prozentuales Verhältnis zur Gesamtzahl aller Informations-Items einer Textfassung (Studierende Aachen)
Nach dem Hören der Testsendung N1.P1 gaben die Studierenden der RWTH in den freien Wiedergaben 19% der in den Nachrichten enthaltenen Informationen wieder, nach dem Hören von N2.P2 dagegen nur 13%. Die Wiedergabewerte der beiden anderen Testsendungen liegen dazwischen. Die Daten belegen also einen mittelstarken Zusammenhang zwischen der sprachlichen und sprecherischen Gestaltung der Nachrichten und der Erinnerung der Hörer/innen an die Nachrichteninhalte.
Dass im Durchschnitt nicht mehr Nachrichten-Informationen wiedergegeben wurden, korrespondiert mit Ergebnissen aus vorherigen Studien. Da in der Untersuchung wirklich alle Informationen, die die Sendung enthält (auch die kleinste Neben-Information), als Vergleichswert für 100% Erinnerung herangezogen werden, sind Wiedergabewerte von knapp 20% schon sehr umfangreich.
Diagramm 2: Antworten auf die Multiple-Choice-Fragen; unterschieden nach Antwortmöglichkeiten
Ein ähnliches Ergebnis zeigt auch die Auswertung der Antworten auf die Multiple-Choice-Fragen (Diagramm 2). Nach dem Hören der Testsendung N1.P1 beantworteten die Studierenden der RWTH Aachen knapp 65% der Fragen richtig, nach dem Hören von N2.P2 dagegen nur 53%.
Darüber hinaus haben die Studierenden nach dem Hören von N1.P1 nur 21% der Fragen gar nicht beantwortet, nach dem Hören von N2.P2 dagegen 33%. Dies deutet darauf hin, dass sich die Testpersonen nach dem Hören von N1.P1 bei der Beantwortung der Fragen sicherer fühlten als nach dem Hören von N2.P2.
Diagramm 3: Detailergebnisse zu Meldung 3 „Bombenalarm am Flughafen Amsterdam“ – ausgewählte Informations-Items
Die Meldung 3 „Evakuierung des Amsterdamer Flughafens“ informiert u.a. darüber, dass „eine verdächtige Flüssigkeit“ gefunden wurde, die sich aber „bei einer Untersuchung als völlig harmlos“ heraus stellte (verständliche Radionachrichten). Wenn man die Behaltensleistungen für diese Informationselemente (Items) in Bezug zu den vier Versionen der Testsendung setzt, zeigt sich auch hier ein deutlicher Unterschied:
Diagramm 4: Ergebnis Multiple-Choice-Frage „Was wurde im Handgepäck eines Passagiers entdeckt, das zu dem falschen Bombenalarm führte?“ – unterschieden nach dem Antwortverhalten
Choice-Nachfrage nach diesem Sachverhalt in Meldung 3 bestätigen den Befund:
Nicht nur der Gesamtüberblick über die Nachrichtensendungen bestätigt also unsere Hypothesen, sondern auch die Detailbetrachtung einzelner wesentlicher Informationselemente aus den Nachrichten-Meldungen.
Fazit
Was heißt dies nun für die Nachrichten im Radio? Unsere Untersuchungen zeigen, dass sowohl der Text als auch das Sprechen das Behalten von Radionachrichten beeinflussen.
Radionachrichten sind dann hörverständlich, wenn sie nach Kriterien der Textverständlichkeit geschrieben sind und sinnvermittelnd gesprochen werden. Das bestätigt auch die Untersuchung zum Zusammenhang von Nachrichtentext und Sprechen von Anna Schwenke (Radionachrichten sprechen). In diesem Fall haben Radiohörer/innen die wenigsten Probleme beim Erinnern an die Nachrichten und die meisten Informationen bleiben hängen.
Heiner Apel, Dipl. Sprechwissenschaftler, Jahrgang 1978, Dissertationsprojekt zum Einfluss von Nachrichtensprache und -sprechen auf die Verständlichkeit der Nachrichten. Seit 2007 Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Sprach- und Kommunikationswissenschaft der RWTH Aachen.
http://www.isk.rwth-aachen.de/heiner-apel