Interviewsituation
Interview mit Heinrich Birner
Geschäftsführer ver.di, Bezirk München
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Heinrich Birner
Heinrich Birner (links) im Gespräch mit Bernd Niklas Stingl

Herr Birner, was für ein Interviewtyp sind Sie?
Ich würde mich als Vermittler bezeichnen, da ich Botschaften weitergeben möchte. Ich überlege mir im Vorfeld meist drei Hauptbotschaften und bemühe mich dann, diese kurz und prägnant darzustellen. Das ist für meine Interviewvorbereitung wichtig, da ich dazu neige, alles ausführlich erklären zu wollen.

Worauf kommt es Ihnen bei einem Interview an?
Es ist mir am liebsten, wenn die Fragen sehr präzise gestellt werden. Offene Fragen hingegen erlauben ein breites Spektrum an Antwortmöglichkeiten.

Was war bisher Ihre schwierigste Interviewsituation?
Ein junger Journalist interviewte mich mal zu einem Thema. Er hatte sehr viel recherchiert, meiner Ansicht nach das Thema aber nur zum Teil begriffen. Es war sehr schwierig und zeitaufwendig, da ich dem jungen Mann erst einmal die Hintergründe erklären musste, bevor er neue Fragen stellen konnte.

Wie ist Ihr Image bei Journalisten?
Ich muss zwischen dem Image der Gewerkschaft als Organisation und meinem individuellen Image hier im Ballungsraum München trennen. Das Ansehen der Gewerkschaften hat sich gegenüber 2003/2004 in den letzten beiden Jahren wieder gebessert. Damals fielen Politiker, Unternehmer und die Medien über uns her, weil wir die Agenda 2010 abgelehnt hatten. Damit waren wir die Blockierer und Verhinderer. Jetzt in der Krise merken die Menschen wieder, dass Gewerkschaften notwendig sind, um die Macht der Unternehmen einzuschränken. Konkret wird unser Image über das aufgebaut, was wir vor Ort repräsentieren. Das hängt davon ab, wie wir mit den örtlichen Medien umgehen, welche Kontaktpflege wir betreiben und ob uns Journalisten sympathisch oder unsympathisch finden.

Journalisten scheinen Sie sympathisch zu finden. Sie werden ja sehr oft interviewt!
Das hoffe ich doch. Wir als Gewerkschaft ver.di genießen aber auch große Aufmerksamkeit, weil wir Themen haben, die den Leser, TV-Zuschauer oder Radiohörer interessieren. Ein Beispiel ist der Streik im Nahverkehr.

Hatten Sie einmal Angst vor einem Interview?
Angst direkt nicht, aber zu Beginn meiner Tätigkeit gab es Situationen, in denen ich das Gefühl hatte, nicht sattelfest im Thema zu sein. Da entstand eine gewisse Unsicherheit, und ich versuchte das Interview mit platten Sätzen oder allgemeinen Aussagen zu überbrücken. Heute stellt sich das Problem nicht mehr, da ich Informationen nur noch dann öffentlich weitergebe, wenn ich mit dem Thema vertraut bin. Ansonsten erlaube ich mir, Journalisten in Interviews zu sagen, dass ich mich zu einem bestimmten Thema nicht äußern möchte, weil es nicht zu meinem Spezialgebiet zählt.

Wie setzen Sie Ihre Kommunikationsstrategie durch?
Zum einen versuche ich mich in die Denk- und Arbeitsweise der Journalisten zu versetzen. Und zum anderen formuliere ich meine Antworten so, dass sie für das jeweilige Genre übernommen werden können. Zudem ist es wichtig, den Kontakt zu den Journalisten über das Interview hinaus zu pflegen. Dadurch bleibe ich ihnen positiv in Erinnerung.

Führen Sie selbst auch Interviews?
Ich begebe mich oft in die Rolle eines Journalisten. Zum Beispiel, wenn ich Presseinformationen formuliere und mich dabei sehr stark in die Denkweise von Journalisten versetze. Außerdem haben wir eine Internetseite, einen E-Mail Newsletter und eine eigene München-Seite in der Gewerkschaftszeitung, für die ich unter anderem Interviews mache. Es ist sehr spannend, sich im Vorfeld die Fragen zu überlegen. Ich weiß natürlich vorher, worauf ich hinaus möchte. Die Kunst ist es, nichts vorzugeben, damit das Interview authentisch wirkt. Es ist mir sehr wichtig, die Menschen greifbar zu machen.

Welche Ratschläge können Sie Journalisten mit auf den Weg geben?
Der Journalist sollte sich in die Rolle des Interviewpartners versetzen können. Er muss sich als Partner der interviewten Person sehen. Informationsarbeit funktioniert nur durch einen Mix aus Geben und Nehmen. Interviews sollten auf einer menschlichen Ebene geführt werden: Der Interviewpartner muss das Gefühl haben, dass er als Mensch wahrgenommen wird. Das lockert ihn auf und macht ihn auch für künftige Interviews ansprechbar.


Das Interview führte Bernd Niklas Stingl.


Vita
Heinrich Birner, geboren 1960 in Schwandorf, war von 1976 bis 1990 Angestellter der Bundesanstalt für Arbeit. 1991 wechselte er als Gewerkschaftssekretär nach Passau. Danach wurde Birner Leiter des Bereichs Verkehr in Bayern und arbeitete sich zum Geschäftsführer München der Gewerkschaft ÖTV (Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr) hoch. Seit 2001 ist er Geschäftsführer von ver.di, Bezirk München.
 


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