Interviewsituation
Interview mit Thomas Mickeleit
Kommunikationsdirektor Microsoft Deutschland
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Thomas Mickeleit
Thomas Mickeleit

Herr Mickeleit, wie ausführlich bereiten Sie Interviews vor?
Das hängt davon ab, wie komplex und heikel das Thema ist. Natürlich spielt auch die Bedeutung des Mediums eine Rolle. In der Regel bekommt die Person, die bei uns das Interview gibt, ein schriftliches Briefing.

Was beinhaltet dieses Briefing?
Darin sind alle Eckdaten festgehalten – über den Journalisten, das Medium, den Dresscode. Mit dem inhaltlichen Briefing bekommt der Unternehmensmitarbeiter den Themenrahmen abgesteckt oder einen vorab definierten Fragenkatalog.

Sie legen also schon im Vorfeld einen Fragenkatalog fest?
Ja! Je hochrangiger die Interviewpartner aus unserem Unternehmen sind, desto exakter werden sie vorbereitet. Gibt unser Vorstandsvorsitzender Steve Ballmer ein Interview, erwarten wir konkrete Fragen, die ausführlich und sehr genau beantwortet werden müssen. Ein echtes Interview lassen wir uns selbstverständlich zur Autorisierung vorlegen, um Fehler zu korrigieren.

Wie ist Ihre Meinung zum Thema "Autorisierung"?
Ich führe niemals ein Interview mit einer hochrangigen Person aus dem Unternehmen ohne eine Autorisierungsvereinbarung.

Öffnet das nicht nachträglichen Änderungen Tür und Tor?
Nein. Wenn ich mit einem Journalisten eine Vereinbarung treffe, muss er die Gewissheit haben, dass ich nachträglich keine Verschönerungen einbaue. Es ergibt keinen Sinn, dass der Journalist ein Interview zurückbekommt, das so nicht stattgefunden hat. Dann hätte man es gleich schriftlich verfassen können. Die Autorisierung sollte ausschließlich dazu dienen, sachliche Fehler zu korrigieren, Namensschreibungen zu überprüfen und minimale sprachliche Verbesserungen einzufügen. Ich würde mir nie erlauben, eine Frage zu verändern oder Text zu streichen. Wenn man damit verantwortungsvoll umgeht, profitieren beide Seiten davon.

Sie haben als Pressesprecher schon für verschiedene Unternehmen gearbeitet. Gibt es Unterschiede in der Interviewvorbereitung?
Es gibt sehr unterschiedliche Vorgehensweisen. Amerikanische Unternehmen sind präziser und stellen höhere Anforderungen. Bei Steve Ballmer muss ein kurzes schriftliches Briefing vorliegen, das auch grobe Antwortvorschläge enthält Außerdem verlangt er ein mündliches Briefing über das Interviewthema und mögliche kritische Fragen. Es wird sehr systematisch vorgegangen. Bei deutschen Unternehmen habe ich das ganz anders erlebt.

Wie informieren Sie sich vor dem Interview über einen Journalisten?
Heute gibt es durch das Internet viele Möglichkeiten. Ich schaue gerne bei "yasni.de" nach, um zu sehen, was derjenige schon gemacht hat. Ich würde niemals einen mir unbekannten Journalisten an unsere Topmanager ranlassen. Das war auch bei Volkswagen so. Ich muss erst ein Gefühl für die Person bekommen. Gerne treffe ich mich auch vorher mit dem Journalisten, um ein persönliches Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Sehen Sie in der Pressearbeit von Unternehmenssprechern eine zu große PR-Lastigkeit?
Meine Aufgabe ist es, das Unternehmen zu positionieren. In ihrer Frage schwingt ein bisschen mit, die Pressearbeit würde nicht immer die ganze Wahrheit sagen und Dinge schöner erscheinen lassen, als sie sind. Aber das gerade zeichnet eine professionelle Pressearbeit nicht aus. Das langfristige Ziel von Pressearbeit sollte sein, Vertrauen aufzubauen. Und ich kann kein Vertrauen aufbauen, indem ich die Leute an der Nase herumführe. Das widerspricht diesem Ziel.

Woran erkennen Sie einen guten Interviewer?
Wenn er tiefgehende Fragen stellt, die den tatsächlichen Kern der Sache erfassen. Das ist sehr selten, aber es gibt Journalisten, die das können.

Welche Rolle spielt für Sie die nonverbale Kommunikation in einem Interview?
Sie spielt eine große Rolle. Allerdings muss ich dazu sagen, dass nur etwa 50 bis 60 Prozent der Interviews in einer face-to-face-Situation stattfinden. Viele Interviews werden über das Telefon geführt, was die Gesprächssituation erschwert. In einem persönlichen Interview sehe ich, wenn ein Journalist bei einer Antwort die Augenbrauen hochzieht und kann mit weiteren Erklärungen reagieren. Außerdem kann ich mich selbst beobachten: wie trete ich auf, bin ich steif oder entspannt? Bei Microsoft führen wir Interviews ganz bewusst in einer kleinen Lounge. Dadurch entsteht sofort eine persönliche Atmosphäre. Am Telefon habe ich all diese Möglichkeiten nicht. Deshalb versuche ich Telefoninterviews zu vermeiden.

Was müssten Journalisten ändern, um bessere Interviewergebnisse zu erzielen?
Ich wünsche mir, dass sich Journalisten besser auf Interviews vorbereiten. Oft haben die Kollegen nicht im Blick, was tagesaktuell über das Unternehmen berichtet wird. Dadurch vergeben sie sich die Chance, aktuell in ein Thema einzusteigen. Das kann ich nicht verstehen und bin oft überrascht, wie wenig Ahnung die Journalisten haben.


Das Interview führte Stefan Weigl.


Vita
Thomas Mickeleit, 1958 in Leverkusen geboren, ist nach seinem Jurastudium und Referendariat Persönlicher Referent und später Pressesprecher von Wirtschaftssenator Elmar Pieroth in Berlin gewesen. Danach arbeitete er als Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Krone in Berlin, Grundig in Fürth, IBM in Stuttgart und als stellvertretender Leiter Unternehmenskommunikation bei Volkswagen in Wolfsburg. Seit 2006 ist Thomas Mickeleit Kommunikationsdirektor von Microsoft Deutschland.
 


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