Interviewsituation
Interview mit Joachim Hirzel
Wirtschaftsredakteur FOCUS
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Joachim Hirzel
Joachim Hirzel im Gespräch

Herr Hirzel, als Journalist sind Sie in der Interviewführung geübt. Welchen Stellenwert hat diese journalistische Form für Sie?
Das Interview ist in der journalistischen Arbeit sehr wichtig und sollte gut durchdacht sein. Der Journalist muss sich überlegen, ob er das Thema als Interview aufbereiten möchte oder ob ein gut recherchierter Artikel die Inhalte besser vermittelt. Prinzipiell ist ein gutes Interview immer ein interessanter Beitrag.

Wodurch zeichnet sich ein gutes Interview aus?
Ein gutes Interview ist ein Gespräch mit einer gewissen Dichte und Intensität. Zwischen dem Journalisten und dem Befragten sollte ein intellektueller Austausch stattfinden, bei dem sich der Interviewpartner herausgefordert fühlt. Dies setzt allerdings eine gute Vorbereitung der Fragen voraus. Wichtig ist auch die Recherche hinsichtlich der zum Thema bereits getroffenen Aussagen des Interviewpartners. Der Interviewer kann sich dann besser auf die Antworten einstellen. Eine gute Vorbereitung des Interviewers wird vom Gesprächspartner honoriert und fordert ihn in seinem Antwortverhalten.

Welche Voraussetzungen sollte ein guter Interviewer mitbringen?
Der Interviewer sollte wissen, mit wem er es zu tun hat und über welche Themen er sprechen möchte. Zudem ist es sinnvoll, die Themenkomplexe mit dem Gesprächspartner vorher zu klären. Auf diese Weise kann das Gespräch durch den Journalisten besser gelenkt werden. Ich selbst habe schon Situationen erlebt, bei denen der Interviewte über die Zukunft des Unternehmens sprechen wollte. Meinerseits jedoch war eine kritische Betrachtung der Unternehmensvergangenheit angedacht. Ich habe daraus die Lehre gezogen, die Gesprächsinhalte künftig genauer abzustimmen.

Und der Aspekt der nonverbalen Kommunikation in einem Interview: Wie wichtig sind Ihnen Gestik und Mimik des Gesprächspartners?
Es kommt immer auf den Gesprächspartner an. Als Wirtschaftsjournalisten sprechen wir mit hochrangigen Managern, also mit Interviewprofis. Sie werden von ihren Kommunikationsverantwortlichen auf Themen vorbereitet und hinsichtlich der Antworten beraten. Der Interviewer hat durch seine Themenkenntnis und sein geschicktes Nachfragen die Chance, bestimmte Aussagen zu erhalten. Für nonverbale Kommunikation sind diese Informanten weniger empfänglich. Natürlich ist die Gesprächsatmosphäre wichtig, aber eine nette Anekdote an der richtigen Stelle kann den Interviewten nicht wirklich aus der Reserve locken und ist meiner Meinung nach auch nicht entscheidend.

Wie wichtig ist Ihnen das Warm-up?
Es muss unterschieden werden, mit wem man spricht. Wenn ich zum Beispiel einen Vorstandschef interviewe, dann gibt es ein solches Warm-up-Gespräch nicht. Diese Interviewpartner sind Profis und von der ersten Minute an dabei. Sie wollen eher merken, dass sich ihr Gegenüber vorbereitet hat und dass sie intellektuell gefordert werden. Das Zwischenmenschliche, dass sie erst aufgelockert werden müssen, finde ich bei diesen Gesprächspartnern nicht so wichtig.

Haben Gestik und Mimik Ihres Gegenübers keinen Einfluss auf Ihr Frageverhalten?
Bei kritischen Rückfragen kann es vorkommen, dass Gesprächspartner aus dem Management abblocken und wortkarg antworten. Dann sprechen sie nur noch in knappen Sätzen oder geben gar keine Antworten mehr. In solchen Fällen sollte der Interviewer zu weniger konfliktreichen Themen übergehen. Gestik und Mimik des Befragten sowie sein Antwortverhalten geben da wichtige Hinweise, wie der Interviewer reagieren muss.

Glauben Sie, dass Journalisten die Möglichkeit haben, das "PR-Geschwätz" geschulter Manager raus zu filtern, um nicht zum Sprachrohr der PR-Strategie zu werden?
Der Interviewer kann dies bis zu einem bestimmten Grad versuchen, indem er sich intensiv vorbereitet. Dies gilt auch für die PR-Floskeln. Der Interviewer muss sich darüber im Klaren sein, dass, wenn er eine Frage stellt, eine bestimmte Antwort zu erwarten ist. Auch wenn er die Aussage nicht aushebeln kann, hat er immer noch die Möglichkeit, sich tiefergehende Fragen zu überlegen, die über diese erste PR-Antwort ein wenig hinausgehen.

Gerade im Printbereich ist die Autorisierungspraxis ein großes Thema. Wie frei ist der Journalist in seiner Publikation?
Das ist unterschiedlich. Bei hochrangigen Managern gibt es jene, die eine klare Vorstellung von dem haben, was publiziert werden soll. Diese Gesprächspartner redigieren und überarbeiten grundsätzlich. Dem Journalist bleibt die Entscheidung, ob er die Änderungswünsche vornimmt oder das Interview nicht veröffentlicht. Es gibt auch Interviewpartner, die im Nachhinein nicht mehr eingreifen und bei dem bleiben, was sie gesagt haben.

Zum Abschluss: Gab es ein Interview, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Ja, einmal hätten unterschiedliche inhaltliche Vorstellungen fast zum vorzeitigen Abbruch des Interviews geführt. Erst während des Gesprächs wurde klar, dass der Manager lieber über die rosige Zukunft des Unternehmens sprechen wollte, während ich lieber kritische Vergangenheitsbewältigung betreiben wollte. Im Konzern gab es Vorfälle, die auch in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert worden sind. Doch der Manager wollte nicht darauf angesprochen werden. Und es gab noch ein Interview, das relativ unglücklich verlief. Ein Vorstandschef hatte eine ganze Riege an Presseleuten mitgebracht. Wir saßen in einem großen Besprechungsraum mit schätzungsweise einem Dutzend Pressesprechern und Assistenten an einem Tisch. Die Gesprächssituation kann man sich ja vorstellen: Von nonverbaler Kommunikation konnte nicht mehr die Rede sein. Es war nicht möglich, ein richtiges Gespräch aufkommen zu lassen und ich konnte nur noch Standardfragen stellen.


Das Interview führte Alexandra Jackowski.


Vita
Joachim Hirzel, geboren 1967 in Mutlangen, studierte in Karlsruhe und Massachusetts Wirtschaftsingenieurwesen. 1994 arbeitete er als Assistent bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, entschied sich dann aber für den Wechsel in den Journalismus und schrieb sich 1995 für den Aufbaustudiengang Journalistik an der Universität Stuttgart-Hohenheim ein. Parallel dazu sammelte er praktische Erfahrungen bei Tageszeitungen, Hörfunk und Fernsehen. 1997 schloss er seine journalistische Ausbildung ab und volontierte bei den "Stuttgarter Nachrichten". Seit Januar 1999 arbeitet er bei FOCUS in der Wirtschaftsredaktion in München. Dort schreibt er über Unternehmensthemen.
 


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